Offene Ateliertage 2024

Mein Wunsch, unsere Besucher durch unser Haus zu führen und ihnen unsere Werke wie in einem Atelier oder einer Galerie zu präsentieren, stößt an seine Grenzen. Die Zimmer sind voll mit Bildern, Alben, Ordnern, Rahmen, Podesten, Tonhubeln, Erden für Glasuren und anderen Kunstmaterialien – sowohl wichtig als auch unwichtig. Allein unser Brennofen benötigt einen eigenen Raum. Diese Enge brachte uns dazu, unsere wetterfesten Keramikplastiken im Garten aufzustellen und die Mosaikkugeln und -säulen meines Mannes unter dem Vordach am Eingang anzuordnen.

Der Garten lädt die Besucher dazu ein, bei einem Kunstspaziergang unsere Werke zu entdecken, die dort verstreut sind und ihre eigenen Geschichten erzählen. Einige Werke sind bereits fest mit der Natur verwurzelt oder scheinen dabei zu sein, eins mit ihr zu werden. Ein Besucher deutete an, eine Erinnerung an die Vergänglichkeit und Unvergänglichkeit der Kunst in ihnen zu erkennen.

Auch wenn einige Werke fest mit dem Gartenboden verwachsen und schwer umsetzbar sind, finden wir immer noch neue Plätze für Sie. Unsere ungepflegten Bäume bieten immer wieder neue Nischen für die Vogelskulpturen, die Tano mit fast 85 Jahren mit Hingabe bearbeitet.

Lassen Sie mich einige dieser Werke genauer vorstellen:

Sitzende junge Frau (1995): Diese Skulptur feiert ihr 30-jähriges Jubiläum und ist ein Tribut an meine älteste Tochter Pina, die damals oft in dieser charakteristischen Sitzhaltung verweilte.

Unkraut jäten (1996): Ursprünglich als „Froschmann“ bekannt, hat diese Figur über die Jahre ihren Platz zwischen den Himbeerstauden eingenommen, inzwischen mit abgebrochenen Händen. Eine Pflanze wächst zwischen der Bruchstelle. Sie scheint mit der Natur zu verschmelzen.

Plakatieren verboten (1997): Diese Arbeit ist eine Hommage an unsere Kreisstadt Miesbach und erinnert an Ausstellungen im Miesbacher Waizingerkeller, wo ich meine Kunst unter der Leitung von Frau Krobisch präsentieren durfte.

Mann auf gestreiftem Sessel (1998): Inspiriert von einem Artikel in der „Zeit“ über einen bekannten DDR-Reporter, der vor Gerichtsprozessen saß und seine Umgebung beobachtete.

Heiliger Florian (2002): Die Erschaffung dieser Figur fiel in die Zeit unmittelbar nach den tragischen Ereignissen des 11. September 2001 und ist eine Hommage an den Schutzpatron der Feuerwehr, in Erinnerung an die Worte meiner Mutter: „Heiliger St. Florian, verschone mein Haus, zünd andere an.“

Unterm Baum liegend (2003): Diese junge Frauenfigur, versunken in ihr Buch, scheint mit der Erde verwurzelt zu sein und wird von den umliegenden Pflanzen im Dunkel der Stäucher behütet und umsorgt.

Im Lichtschein (2003): Trotz der Härte einer Holzbank findet diese Frauenfigur Ruhe und Geborgenheit im Schatten eines Baumes.

Die Behüteten (2004): Die Abwesenheit von Gesichtern in dieser Darstellung erlaubt es dem Betrachter, seine eigenen Interpretationen und Geschichten zu finden.

Rumpelstilzchen (2006): Eine humorvolle Interpretation des Märchencharakters, der in seinem Geheimnis verweilt.

Tanz der Teufel 2 (2020): Eine lebhafte und verspielte Darstellung von Teufeln, die scheinbar unschuldige Scherze treiben.

Das zweite Coronajahr

Das zweite Coronajahr begann ruhig. Keine Ausstellung, kein Markt drängte mich zum Arbeiten. Sogar das Aufräumen und Putzen war nicht mehr wichtig, wir erwarteten keine Besucher.

Ohne Unterbrechung konnte ich Daniel Specks „Jaffa Road“ lesen und die 153 Seiten von Philippe Sands „die Rattenlinie“ verfolgen.

Trotz aller persönlichen Ruhe war die Zeit überdreht und verrückt: Trump jagte nach den verlorenen Stimmen, die Regierung nach Impfstoff, die Nachrichtensprecher nach neuen Wörtern. Es gab plötzlich Impfdrängler, Covidioten, Maskenmuffel, AstraZeneca Verweigerer und ..

Es schien und scheint, dass sich die Zeit des Surrealismus jetzt nach hundert Jahren wiederholt. Der Surrealist Rene Magrit war für mich jetzt Ideengeber.

So wie Picasso mir in meiner Jugendzeit verrückt vorkam, so entdecke ich ihn jetzt als weit und scharfsichtig. Sein Wandbild Guernika berührt mich, wie auch seine Frau mit Hahn von 1938. Der gefesselte Hahn wurde für mich eine Metapher für Leben und Tot.

aus dem Wandbild „Guernika“ von Picasso

Picassos Hahn

In seinem Bild „der Traum“ von 1932 sah ich den erotischen Inhalt überhaupt nicht, ich machte daraus eine „schlafende Leserin“. Statt der Kette, die den Hals umspielt, modellierte ich eine Lesebrille.

schlafende Leserin

Die Zeichnungen von M.C. Escher, die ich vor meiner Chemo in einer Ausstellung in Tanos Heimatstadt Catania sah und damals psychedelisch deutete, überraschen mich jetzt nicht mehr. Dem femininen Baum setzte ich einen maskulin scheinenden Baum gegenüber.

Den übermütigen Ikarus bemalte ich mit Silikatkreiden und stellte ihn draußen auf. Ich hoffe, dass sich die Farben im Regen vermischen und die Figur einmal einem Ausgrabungsfund ähnelt.

Ikarus

Ich sehe jetzt, dass all meine neuen Arbeiten an alte Künstler und Werke anknüpfen. Als vor kurzer Zeit die fulminanten Hüte der erlauchten Damen auf dem Balkon des Buckingham Palastes durch die Presse gingen, dachte ich an Karl Hubbuchs Damen „in einer Modeschau“ (neue Sachlichkeit).

Beim Modellieren der Teufelchen dachte ich mir nicht viel. Sie sollten frei und lustig sein. Als ein Besucher die Augen leicht verdrehte, die Nase hochzog, suchte ich „Teufelchen“ im Internet. Bei Google gibt es dazu 2.400.000 Ergebnisse. Deutschland hat 83.000.000 Einwohner.

Im Jahr von Corona

„Den banalen Alltag ins Kunstwerk gebrannt“, so umschrieb vor längerer Zeit eine Journalistin meine Werke. Ich setze den Alltag in Plastiken um, die den Menschen in verschiedenen Lebensabschnitten darstellen und dabei menschliche Schwächen und Größen sichtbar machen.

Daran hat sich bis jetzt fast nichts geändert. Dieses Jahr mit Corona drängten sich die Themen direkt auf. Beim Modellieren und besonders beim langwierigen Glätten der Oberfläche habe ich Zeit, Zeit meine Gedanken hin und her zu wälzen.

Angefangen hatte mein keramisches Jahr schon gedanklich während unserem Aufenthalt in Kreta. Europa und Zeus sollten mein nächstes Thema sein. Nach den Berichten über das neue Virus modellierte ich Zeus nicht als Stier, sondern als Ziege und von Europa blieben nur zwei, sich ankrallende Hände über.

Ein Männergesangsverein probt weiter, ein Ehepaar besucht eine Veranstaltung, ein Zauberer sucht in seinem Buch, man rettet sich unter einen Schirm.

Daumen hoch! Der Kuss mit Mundschutz ist witzig. Wir lachen noch über mangelnde Klopapierrollen aber wundern uns nicht mehr über ratlose Politiker.

Kann der Gigant besiegt werden? Der Leviathan aus der christlichen Mythologie steigt aus dem Wasser. Man spricht schon von der Wahl des Bundestags im Herbst 2021.

Die biblische Geschichte von Susanna im Bade ging für die Männer schlecht aus. Es gefiel mir, nur die Männer abzubilden.

Die Mutter mit Kind, nach einem Bild von Frank Walter, der sein ganzes Leben lang kein Bild verkaufen konnte. Es erinnerte mich an meine jüngste Tochter, die oft genau wie auf dem Bild getragen werden wollte.

Meine neuen Plastiken

Ich greife gerne aktuelle soziale und politische Probleme auf, setze den Alltag in Plastiken um.

Dass ich mit den Plastiken „Der Unterschreiber“ und „Präsidenten-Unterschrift“ den Donald Trump karikiere, glaube ich erkennt man.
Wie lange wird das Thema aktuell sein? Politik ist schnelllebig im Gegensatz zu meinen Steinzeugfiguren, die bei 1250°C gebrannt wurden.

„Der rote Krebs“ ist meine neueste Plastik zum Thema Krebserkrankung.

Anlass zum „OP-Hemd“ gab mir ein Stein aus der Weißach, den Riccardo mir schenkte. Wie gemeißelt wirken darin die tiefen Runen, gleich einem gerunzelten, zufriedenen Gesicht. Eine alte Frau im letzten Hemd, war mein erster Gedanke. Das war mir aber dann zu ernst und ich stellte lieber die Hoffnung vor einer Operation dar.

Eine Plastik aus Ton entsteht

Ich sah in den Fernsehnachrichten eine Wahlveranstaltung. Die Politiker standen auf einer Tribüne. Am Ende ihrer Reden applaudierten sie sich selbst mit Klatschen. Das brachte mich auf die Idee, dies karikaturistisch in einer Plastik darzustellen, drei Herren mit übergroßen klatschenden Händen.

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Ich zeige Fotos, wie ich die Plastik aufbaute und Details modellierte:

Nach zwei Wochen Trockenzeit glasierte ich die staubtrockene Figur mit selbst hergestellten Glasuren aus Asche. Tano brannte sie nach einigen Tagen Trockenzeit bei 1250°C (Steinzeugtemperatur) im Brennofen. Statt einem Schrühbrand, den man gewöhnlich bei 950°C voran stellt, schaltete Tano einen fünfstündigen Trockenbrand bei 150°C vor.

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