Das zweite Coronajahr – Teil 2

Das zweite Coronajahr war ruhig, es gab nur eine Ausstellung, keinen Markt und keine Reise.

Im ersten halben Jahr waren wir noch recht produktiv. Es entstanden einige Plastiken (siehe vorangegangenen Beitrag).

Neben der Aktion “Kunst im Schaufenster“ beteiligten wir uns noch bei der Tegernseer Jahresausstellung.Tona mit „Komm tanz mit mir“, „Hommage an Rene Magritte“ und „Männer die regieren möchten“ und Riccardo mit den drei Zeichnungen „Pferd“, „Ferd“ und „Erd“ (Pigmentstifte auf Papier). Tano war unser Transporter und übernahm einmal die Aufsicht.

Am 19. Juli kam ein großer Einschnitt. Unser 30 Jahre alte Brennofen ging kaputt. Er schaltete sich nicht rechtzeitig ab. Die Arbeiten von mehrere Monaten verschmolzen mit den Ofenwänden, gleich einem Vulkanausbruch in Miniform. Die Scherben und unsere Stimmung waren am Boden.

Tano wurde schweigsam, vergrub sich ganz in die Arbeit mit seinem Vorrat von tausenden Mosaiksteinen, die er vorher selbst geformt, glasiert und gebrannt hatte.

Im August munterte uns die Freilichtschau „Higstäid am Seeweg“ etwas auf. Zweieinhab Monate standen unsere Figuren in Kaltenbrunn am Nordufer des Tegernsees. Sie überstanden Sturm, Regen, Hitze, Spaziergänger und spielende Kinder. Unser Wille zum Weitermachen war gestärkt. Nach dreimonatlicher Bestellzeit bekamen wir einen neuen Brennofen und neuen Schwung.

Ich ergänzte meine bayerischen Krippendarstellungen mit neuen Krippenfiguren wie Bettler, Kranke, Maskenträger, Hundebesitzer und, weil die Zeit so verwirrend war, einem Teufel im feinem Anzug.

Am Abend des alten Jahres wird der Faule fleißig. In den letzten Wochen vor dem neuen Jahr entstanden noch „Der Kolkrabe“ in Naturgröße und die „Pestärzte“ nach einer Zeichnung von Paul Flora. Der Rabe gilt ungerechterweise als Vorbote von Unheil und Krankheit und die Pestärzte knüpfen an unsere Zeit mit Corona an. Mit der allerletzten Arbeit „über den Wolken“ wollte Tona sagen, dass die Welt über den Wolken oder von oben herab anders aussieht als darunter.

Am heiligen Abend kam die Krönung des Jahres. Gabi Werner schrieb für die Tegernseer Zeitung einen sehr schönen Bericht über uns. Ihr letzter Satz gefällt mir. Manchmal müsse man eben umdenken. Sogar, wenn es um die Weihnachtgeschichte geht.

Das zweite Coronajahr

Das zweite Coronajahr begann ruhig. Keine Ausstellung, kein Markt drängte mich zum Arbeiten. Sogar das Aufräumen und Putzen war nicht mehr wichtig, wir erwarteten keine Besucher.

Ohne Unterbrechung konnte ich Daniel Specks „Jaffa Road“ lesen und die 153 Seiten von Philippe Sands „die Rattenlinie“ verfolgen.

Trotz aller persönlichen Ruhe war die Zeit überdreht und verrückt: Trump jagte nach den verlorenen Stimmen, die Regierung nach Impfstoff, die Nachrichtensprecher nach neuen Wörtern. Es gab plötzlich Impfdrängler, Covidioten, Maskenmuffel, AstraZeneca Verweigerer und ..

Es schien und scheint, dass sich die Zeit des Surrealismus jetzt nach hundert Jahren wiederholt. Der Surrealist Rene Magrit war für mich jetzt Ideengeber.

So wie Picasso mir in meiner Jugendzeit verrückt vorkam, so entdecke ich ihn jetzt als weit und scharfsichtig. Sein Wandbild Guernika berührt mich, wie auch seine Frau mit Hahn von 1938. Der gefesselte Hahn wurde für mich eine Metapher für Leben und Tot.

aus dem Wandbild „Guernika“ von Picasso

Picassos Hahn

In seinem Bild „der Traum“ von 1932 sah ich den erotischen Inhalt überhaupt nicht, ich machte daraus eine „schlafende Leserin“. Statt der Kette, die den Hals umspielt, modellierte ich eine Lesebrille.

schlafende Leserin

Die Zeichnungen von M.C. Escher, die ich vor meiner Chemo in einer Ausstellung in Tanos Heimatstadt Catania sah und damals psychedelisch deutete, überraschen mich jetzt nicht mehr. Dem femininen Baum setzte ich einen maskulin scheinenden Baum gegenüber.

Den übermütigen Ikarus bemalte ich mit Silikatkreiden und stellte ihn draußen auf. Ich hoffe, dass sich die Farben im Regen vermischen und die Figur einmal einem Ausgrabungsfund ähnelt.

Ikarus

Ich sehe jetzt, dass all meine neuen Arbeiten an alte Künstler und Werke anknüpfen. Als vor kurzer Zeit die fulminanten Hüte der erlauchten Damen auf dem Balkon des Buckingham Palastes durch die Presse gingen, dachte ich an Karl Hubbuchs Damen „in einer Modeschau“ (neue Sachlichkeit).

Beim Modellieren der Teufelchen dachte ich mir nicht viel. Sie sollten frei und lustig sein. Als ein Besucher die Augen leicht verdrehte, die Nase hochzog, suchte ich „Teufelchen“ im Internet. Bei Google gibt es dazu 2.400.000 Ergebnisse. Deutschland hat 83.000.000 Einwohner.

Im Jahr von Corona

„Den banalen Alltag ins Kunstwerk gebrannt“, so umschrieb vor längerer Zeit eine Journalistin meine Werke. Ich setze den Alltag in Plastiken um, die den Menschen in verschiedenen Lebensabschnitten darstellen und dabei menschliche Schwächen und Größen sichtbar machen.

Daran hat sich bis jetzt fast nichts geändert. Dieses Jahr mit Corona drängten sich die Themen direkt auf. Beim Modellieren und besonders beim langwierigen Glätten der Oberfläche habe ich Zeit, Zeit meine Gedanken hin und her zu wälzen.

Angefangen hatte mein keramisches Jahr schon gedanklich während unserem Aufenthalt in Kreta. Europa und Zeus sollten mein nächstes Thema sein. Nach den Berichten über das neue Virus modellierte ich Zeus nicht als Stier, sondern als Ziege und von Europa blieben nur zwei, sich ankrallende Hände über.

Ein Männergesangsverein probt weiter, ein Ehepaar besucht eine Veranstaltung, ein Zauberer sucht in seinem Buch, man rettet sich unter einen Schirm.

Daumen hoch! Der Kuss mit Mundschutz ist witzig. Wir lachen noch über mangelnde Klopapierrollen aber wundern uns nicht mehr über ratlose Politiker.

Kann der Gigant besiegt werden? Der Leviathan aus der christlichen Mythologie steigt aus dem Wasser. Man spricht schon von der Wahl des Bundestags im Herbst 2021.

Die biblische Geschichte von Susanna im Bade ging für die Männer schlecht aus. Es gefiel mir, nur die Männer abzubilden.

Die Mutter mit Kind, nach einem Bild von Frank Walter, der sein ganzes Leben lang kein Bild verkaufen konnte. Es erinnerte mich an meine jüngste Tochter, die oft genau wie auf dem Bild getragen werden wollte.

Rehaklinik St. Irmingard

Tona schreibt über die Rehaklinik St. Irmingard

Die Rehaklinik verglich ich mit einer Rettungsinsel, auf der man wieder aufgepäppelt und betreut wird. Es gibt reichlich Essen und Therapeuten bereiten einen wieder fürs Festland vor.
Die Geretteten erzählen sich untereinander von ihren Erlebnissen auf „stürmischer See“, fast anteilslos, so als hätten sie darüber den gleichen Artikel in der Zeitung gelesen; nur leicht unterschiedlich wiedergegeben und interpretiert.
Umsonst hatte ich Anorak und Handschuhe eingepackt und viel zu viele Bücher, Zeitschriften, Farben und Bleistifte. Das Wetter wurde sommerlich und die Zeit reichte nicht zum Lesen, sie verging so schnell wie daheim.


Nur in der Erinnerung scheint sich die dort erlebte Zeit zu dehnen. Ich denke immer wieder zurück, an die Patienten mit ihren Smartphones in Händen, die freundliche Putzfrau, das Abschiedsgeschenk der Tischgenossen und an die Ankunft daheim. 107 Tulpen zählte ich am Straßenrand entlang unseres Zaunes.
Das größte Mitbringsel war, dass der Kaffee wieder schmeckt und die Arbeit mit Ton immer noch Freude macht.

Plastik: „Einsam gemeinsam oder umgekehrt gemeinsam einsam“

Steinzeug unglasiert aus zementfarbigen Ton, gebrannt bei 1250°C

Heilige Franziskus

Modelliert hatte ich die kleinen Franziskus-Plastiken Anfang des Jahres als wir noch unseren bayrischen Papst hatten und noch sagen konnten „Wir sind Papst“

Fertig glasiert und gebrannt hatte ich die Figuren als der neue Papst Franziskus gewählt wurde. Die Familie meinte,  dass ich hellseherische Kräfte gehabt hätte.IMG_5960 (1)IMG_5954 (1)

glasiertes Steinzeug

 

Kreuzwegstationen

Meine  Kreuzwegstationen sind im Haus Werdenfels – Bildungs- und Exerzitienhaus der kath. Kirche in 93152 Nittendorf bei Regensburg aufgestellt. Sie sind aus Steinzeug. Ich gestaltete die einzelnen Stationen in Form von Meilen- oder Grenzsteinen, Steine die den Weg markieren. Ohne auf die Grausamkeiten einer römischen Hinrichtung einzugehen, reduzierte ich die Darstellung auf einen kleinen Ausschnitt, die Hände.

Fotos von www.religionspaedagogische-medien.com

Herr Lehmann von der Redaktion der Gemeidezeitung der Evang. Kirchengemeinde Frankfurt am Main-Bornheim bat mich jetzt um die Nutzung der Bilddateien meiner 14 Kreuzwegstation für ein Plakat einer Konzertveranstaltung. Zur Aufführung kam Liszt „Via Cucis“ von der Johanniskantorei Bornheim.

Gedruckt von der Druckerei Erhardt Frankfurt- Bornheim

Gedruckt von der Druckerei Erhardt Frankfurt- Bornheim