Es war wie ein Film, der sämtliche Erlebnisse zusammenfasste, die ich zusammen mit Tano im Laufe der Jahre in Sizilien erlebt hatte. Es würde ein Roman, wenn ich die ganze Reise beschreiben würde. Ich bringe die Reihenfolge der Besichtigungen durcheinander. Wie muss es denen gehen, die Sizilien zum ersten mal sehen
Familientreffen
Bald wäre unser Treffen ins Wasser gefallen. Niemand dachte daran, dass unser Hotel 60 km von Catania enfernt, in Lettojanni, sein würde.
Tanos Nichte hatte uns zum Essen eingeladen. Ihr Sohn, trotzdem er fiebrig erkrankt war, holte uns ab. Es war mehr als nur ein Zusammensitzen am Tisch. Marisa musste sicher stundenlang vorher in der Küche gestanden sein, so reichlich war das Essen, ein Festmahl für zehn Leute. Marisa verwöhnte uns mit so vielen sizilianischen Spezialitäten, dass es mir schwer fällt, sie aufzuzählen. Allein beim ersten Gang konnte man wählen zwischen Nudeln mit Tintenfisch und Nudeln mit Pilz- und Sahesoße. Am Schluss überraschte uns Marisas Schwiegertochter Luisa noch mit einer Torte, die meinem Geburtstag galt.
„So ein Tag, so wunderschön wie heute“, der sentimentale Song von Freddy Quinn, er hätte an diesem Tag gepasst.
Betörend
– ein anderes Wort fällt mir nicht ein für den Blütenduft der Bitterorangenbäume mitten in Catania. Sie standen auf einem kleinen Platz, der zwischen der Chiesa Rotonda mit den Thermen und dem Theatro Greco lag. Nach dem Essen besuchten wir gemeinsam die antiken Stätten.
Eigentlich ging es nicht um Kunst, die wir sehen wollten, sondern um den 13. jährigen Urgroßneffen Christian. Kinder übernahmen an diesem Tag, dem Frühlingsanfang, die Führungen in den Museen. Der Eintritt war frei. So viele Kunst begeisterte Omas, Opas, Eltern, Tanten und Onkels sahen Tano und ich noch nie in Catanias Museen. Es war ein Genuss, zu erleben, wie eifrig und gestenreich die Kinder die Kunst erklärten. Es waren fernsehreife Darbietungen.
Orangen und Mandarinen
Im Garten von Marisa gab es noch vereinzelt Mandarinen an den Bäumen. Sie waren übereif und ausgetrocknet. Wären der gesamten Fahrt sahen wir viele Bäume, ja sogar ganz große Anlagen mit ungeernteten Früchten. Die Bezahlung der Erntehelfer wäre teuerer als das Obst einbringen würde. Billige Früchte aus Marokko überrollen den Markt.
Palermo und Cefalu im Schnelldurchlauf
Ich nahm es mir Daheim schon vor, die Galeria d´Arte Moderna (GAM) zu besuchen. Ich suchte schon nach den verschiedenen Wegen, wie ich das Museum möglichst schnell erreichen könnte. Daran war dann gar nicht zu denken. Nach vier Stunden Fahrt mit Stau, Anstehen vor dem Kartenverkauf und der Gepäck- und Körperkontrolle konnten wir nur die Palastkapelle und den Dom besichtigen. Im Schnelldurchlauf erlebten wir dann ebenfalls Cefalu. Die Stadt liegt an der Nordküste Siziliens und hat eine wunderschöne dreischiffige Basilika mit Stilmerkmalen der arabischen, byzantinischen und normannischen Kunst.
Auf dem Ätna
Wenn es an der Küste regnet, kann oben auf dem Gipfel des Ätnas, der über den Wolken liegt, die Sonne scheinen. Diese Hoffnung zerbrach, als wir bei fast 2000m Höhe ankamen. Wir standen im Schneesturm und die Seilbahn stand still.
Aufwärmen konnten wir uns in dem kleinen Städtchen Zafferana am Fuße des Ätnas. Geschäftstüchtig brachte uns Sonja, unsere Reiseleitung, zu einem der vielen Imker des Ortes, die vom Zagara-Honig leben. Zagara, so werden im italienischen Süden die Orangenblüten genannt. Wir probierten den Blütenhonig und waren überzeugt, dass unsere Lieben Daheim ihn auch kosten müssen und kauften ein.
Der Fischmarkt in Catania
Catania ist die Stadt, in der wir uns zuhause fühlen, in der Tano geboren ist und 25 Jahre lebte. Als unsere Reiseführung Melanie um den historischen Fischmarkt einen großen Bogen machte um ihre Schuhe nicht schmutzig zu machen wollte, war Tano sehr enttäuscht. Er wollte, dass unsere Mitreisenden die Sehenswürdigkeiten seiner Stadt erleben. Wir sahen weder das normannische Kastell, noch die Barockstraße Via die Crociferi, das ehemalige Benediktinerkloster, so wie die Kirche San Nicolo mit der Sonnenuhr. Für Melanie gab es nur die Geschäftsstraße Via Etnea.
Wir besuchten in der freien Zeit eine aktuelle moderne Ausstellung im Kulturzentrum und kauften Käse, Oregano und Pistazien auf dem Markt. Leider wurde es mir so übel, dass wir nur noch am Domplatz saßen. Tano trank Kaffee und ich ein Glas mit einem Medikamentgebräu aus der naheliegenden Apotheke.
Naturschutzgebiet Vendicari
Das 1500 Hektar große Naturreservat, acht Kilometer lang, ist einer der schönsten Küstenstreifen Siziliens mit Buschvegatation, wie zum Beispiel Thymian, Wacholder und Rosmarie. Das Gebiet ist Rastplatz verschiedener Zugvögel auf ihrem Weg nach Afrika. Wir hatten das Glück, viele Flamingos zu sehen.
Es gab mehrere Wanderpfade, eine alte Tonnara, eine Thunfischfabrik, einen spanischer Wachturm, eine Nekropolis und eine verfallene, byzantinische Kirche.
Ein neuer Michelangelo
sei der 1974 geborene, russische Künstler Oleg Supereko, der die Fresken der Kathedrale in der spätbarocken Stadt Noto malte, sagte Silvia unsere Reiseführerin. Die Kirche wurde erst 2009 nach alten Vorlagen wieder aufgebaut. Nur ein Seitenschiff blieb von dem alten barocken Bau übrig. Hell und weit wirkt der Neubau. Ohne die dem Stil angepassten Fresken würde mir die Kirche aber noch besser gefallen. Witzig fand ich, dass sich der junge Künstler in einem Apostelbild selbst darstellte, nach dem ihm die Auftraggeber zu viel darein redeten.
Zum Glück stieg ich, nach etwas Zögern, auf einem Kirchturm in der Nähe und konnte wunderschöne Dachansichten fotografieren. Noch eine gute Entscheidung war die Wahl der Eissorte, Pistaccio.
Taormina
Ein Regenbogen überspannte das hochgelegene Städtchen Taormina. Ein geschichtsträchtiger Ort, der von den Sikilern gegründet, den Griechen besiedelt, von den Arabern zerstört und im Mittelalter wieder aufgebaut wurde.
Es schien als würde der Regenbogen 200m weit unter uns aus der Meeresbucht hochsteigen und am gegenüberliegenden Ende wieder im Wasser versinken. Dieses Schauspiel lies uns nicht mehr an den vorausgegangenen Regen denken, der uns beim Besuch des Teatro Greco (eigentlich ein römischer Bau) frösteln ließ.
Abseits der Flanierstraße fand Tano auf einer Meeresklippe einen bezaubernden Garten. Ein Traumweg führte uns vorbei an Bäumen, Pflanzen und Blüten. Dazwischen waren romantisch Kunstwerke und Keramikgefäße eingebettet.
Außer uns fand auch ein Ehepaar aus Würzburg das kleine Paradies – und weil die große Welt doch so klein ist, kam unser Gespräch auf den jüdischen Arzt und Schriftsteller Moor, der einmal in Rottach lebte und in Würzburg geboren wurde. Der Mann des Ehepaars hatte viel über ihn gesammelt.
Syracus
Die antiken Stätten außerhalb Syrakus hatten wir schon oft besucht, deshalb fiel mein Blick auf die Pflanzen auf dem steinigen Boden. Ich fotografierte die wilden Geranien, die weißen und roten Disteln und die Gänseblümchen.
Direkt neben dem Meer entspringt die Fonte Aretusa, eine kleine Süßwasserquelle, in deren Teich Papyrusstauden wachsen. Der Legende nach floh die Nymphe Arethusa vor dem griechischen Flussgott Alpheios, sprang in der Peloponnes ins Meer und tauchte erst vor Ortigia wieder auf. Hier wurde sie mit Hilfe der Göttin Artemis in eine Quelle verwandelt.
Ortigia ist der Name einer kleinen Insel, die das historische Zentrum der Stadt Syrakus bildet und nur durch eine wenige Meter breite Durchfahrt mit dem Festland verbunden ist. Dort hinterließen die griechischen Siedler einen Athene-Tempel, der im 7. Jahrhundert zur Kathedrale „Santa Maria delle colonne“ umgebaut wurde. Bis heute sind die korinthischen Säulen an der barocken Fassade zu erkennen.
Karfreitag
Ich war krank. Tano blieb bei mir im Hotel. Spät nachmittags rappelte ich mich zu einem Spaziergang zum Strand von Lettojanni auf.
Es schien als hätten Maschinen eines Kieswerkes die Steine sortiert. Beim Betreten des Strandes war der Sand fein und grau. Je näher wir zum Meer kamen um so größer wurden die Sandkörner bis nur noch handgroße Steine da lagen. Die einheitliche dunkelgraue Strandfarbe wurde zu einem bunten Mosaik, weiß, gelb, grün, braun und schwarz in allen Variationen.
Wir waren allein auf dem weiten Strand. Auch die Stadt war wie ausgestorben – Karfreitagsstimmung. Nur zwei Möven verfolgten uns und bettelten um Futter.
Osterbrot und Lorbeerzweige
Auf fast 500 m Höhe liegt das mittelalterliche Bergdorf Forza D’Agrò wie ein Adlerhorst über dem Meer. In dieser Ortschaft wurden einige der Hauptszenen des Mafiafilmes „der Pate“ verfilmt.
Den fantastischen Ausblick konnte ich erst oben genießen. Bei den engen steilen Serpentinen rebellierte mein Magen.
Was wir dann oben, am Ostermontag, erlebten war einzigartig. Wir feierten mit den Bewohnern das Festa dell‘ Alloro“, das Fest des Lorbeers und der „heiligen Öle“. Wie einst die Römer ihre Sieger mit einem Lorbeerkranz bejubelten so wurde dort der auferstande Jesus mit Lorbeerzweigen und kunstvollen Fahnen aus Lorbeerblättern und Heiligenbildern geehrt. Jesus ist sozusagen der Sieger über den Tod.
Mit den traditionellem Lorbeerzweigen und dem „Cuddure“ einem Hefegebäck, in der Hand marschierten wir alle zusammen – die Bruderschaft, Einwohner, Touristen und Musikkappelle durch das Dorf bis zum Hauptplatz, wo das Öl für die Liturgie, die Lorbeerzweige und das Osterbrot gesegnet wurden. Tano und ich fühlten uns „dazugehörig“, nicht als Touristen.
Caltagirone
Eher als Zuschauer fühlten wir uns, einen Tag vorher, am Ostersonntag in der Stadt Caltagirone.
Wir standen hoch oben auf einer der 142 Stufen der Treppe mit den Keramikfliesen und beobachteten das Osterspiel „ A Giunta“ unten auf der Piazza Municipio. Das Suchen der Maria vom Apostel Petrus und das Treffen der Maria mit dem auferstandenen Jesus wurde durch riesengroße Figuren dargestellt. Petrus war eine drei Meter große Pappfigur mit rotem Mantel und Maria eine Statue, die vor dem Treffen mit einem schwarzen Mantel eingehüllt war. Leider kamen die Melodien der Musikkapelle nicht bis zu uns hoch, doch die Rufe der Bewohner und Besucher „Non c´é“ und „Viva Maria“ erreichten uns.
Viel wichtiger war für Tano, dass er wieder an dem Ort war, an dem er als Kind einen Freiplatz in der Internatsschule „Don Bosco“ erhielt und seine Grundschulzeit dort verbrachte. Es war ein Muss, dass wir die vielen Stufen zur ehemaligen Schule hoch stiegen. Zufällig kam Tano mit einem ehemaligen Schüler ins Gespräch. Obwohl sie nicht zur gleichen Zeit dort waren, kam es zu einer Verbrüderung mit langen Verabschiedungen und Umarmungen.
Piazza Armerina
Alles ist anders, das war damals nicht und das gab es auch nicht – das waren Tanos Worte als wir durch die Stadt fuhren. Er arbeitete einmal als junger Stuckateur in der Stadt. Mit Kollegen verzierte er das Portal eines Hotels. Auch ich kannte schon die Villa Romana del Casale. Es war wirklich viel umgestaltet worden, weite Parkplätze, große Gasthäuser und feste Verkaufsstände.
Die beeindruckenden Bodenmosaiken der spätrömischen Villa zeugen vom großen Reichtum des Besitzers. Auf einem Mosaik sieht man einen Aristokraten der auf einen Sklaven einschlägt. Die Herzen der Menschen hat die Zeit nicht sehr verändert.
Als wir zurück fuhren und Tano die Brunnenanlage im Ort sah erinnerte er sich wieder an den Treffpunkt der jungen Leute. Von oben auf einer Anhöhe gesehen war dann Piazza Amerina wieder die Stadt, die er kannte.
Pingback: Zehn Tage Sizilien, eine Gruppenreise. | Milazzo Art
Beim Lesen Ihrer Reiseerzählung kamen uns wieder viele Momente dieser wunderschönen Osterreise vor Augen..
Es freut mich , dass sie meinen Sizilienbericht gelesen haben. Es waren schöne Tage mit netten Leuten.
Hallo Traudl,
wann machst Du das Alles?
Schöne Grüße aus Niederbayern
da Franz
Freut mich, von Dir ein Lebenszeichen zu bekommen. Ja, wann mach ich das? Weniger Fernsehen schauen und mache Arbeit einfach liegen lassen.