Es waren keine Kunstführer, die uns durch die Ausstellungsorte der dOCUMENTA führten, sondern „Worldly Companions“, auf Deutsch „weltgewandte Begleiter“. Ihre Rolle war, mit uns ins Gespräch zu kommen und mit uns über Kunst zu diskutieren. Eigentlich eine wunderschöne Idee.
Jetzt bin ich wieder Daheim und trauere, dass wir so viel disputiert und so wenig gesehen haben.
Im Aue-Park standen wir lange vor Massimo Bartolinos „Ausschnitt der Mittelmeerküste“ und diskutierten darüber, warum die Wasserwelle nicht zu sehen war und wurden uns einig, dass die Technik im Moment versagte.
Beim Müllberg „Doing Nothing Garden“ von Song Dong suchten wir lange und ausgiebig nach den Namen der darauf wachsenden Pflanzen bis uns dann unsere Wordly Companion von den Neonschildern erzählte. Die chinesischen Schriftzeichen darauf mit der Bedeutung „Doing und Nothing“ konnten wir nicht sehen, sie waren vom Grün überwuchert.
Die kleinen, abstrakten Bilder von Doug Ashford in einem kleinen Fertighaus konnten weder wir noch und unsere Begleiterin deuten. Doch schön farbenfroh waren sie.
Die Erörterungen vor einem kleinen Häuschen, im dem das Modell der Tauschwirtschaft „Time /Bank“ vorgestellt wurde, versäumte ich. Zu sehr war ich mit der Ausstellung im Häuschen beschäftigt.
Bei der Frage der weltgewandten Begleiterin, was wir mit der Konstruktion von Sam Durant assoziieren, waren wir uns sofort einig, denn wir waren von der Presse im Vorfeld schon aufgeklärt. Es ist ein Anti-Denkmal, das auf die Todesstrafe aufmerksam macht.
Durch das Drängen unserer Gruppenführung konnten wir zwei Minuten im Wald sitzen und das Klangerlebnis von Janet Cardiff & George Bures Miller erleben. Dass das Geräusch des Regens nicht aus den Lautsprechern kam, merkten wir zu spät. Schutz fanden wir unter dem vorher betrachteten Galgenkunstwerk von Durant.
Für das Bronzewerk „Idee di Pietra“ von Giuseppe Penone und all die anderen Projekte im Aue-Park, welche ich gerne sehen wollte, war die Zeit zu knapp.
Trotzdem, es war ein unvergessliches Erlebnis. Wir waren auch im Fridericianum, in der Documenta-Halle, in der Neuen Galerie und im Kultur-Hauptbahnhof. Im Laufschritt durcheilten wir in 7 Minuten das Ottoneum, sahen Claire Pentecosts Goldbarren und ihre neue Währung, die den Petro-Dollar ablösen sollte.
Alles Nichtgesehene und Nichtgesagte kann ich jetzt Daheim im 537-seitigen Begleitbuch der Documenta und im Internet finden. Auch das Gesehene erschließt sich mir dadurch erst richtig. Eigentlich müsste ich noch mal die Documenta besuchen.
Die Begegnungen während der Tage in Kassel waren einmalig: der Busfahrer Harry, der uns stets mit frischem Kaffe versorgte; Frau Sporrer, unsere Wordly Companion von der VHS Unterhaching, die sich um alles, vom Documenta-Karton-Hocker bis zum verlorenen Teilnehmer, kümmerte; die netten Tischnachbarn beim Abendessen; die Weggenossen und die Mit-uns-mit-Läufer, mit denen wir durch das Gedränge fanden.
Ganz knapp verpassten mein Mann und ich ein Pressegespräch zwischen der Kuratorin der Documenta, Carolyn Christov-Bakargiev, und dem österreichischen Quantenphysiker Anton Zeilinger. Doch viel hätte ich sowieso nicht verstanden, auch wenn das Gespräch auf Deutsch übersetzt worden wäre.