London

 

Zum ersten Mal war ich jetzt – mit 70 Jahren – in London. Die Besuche in den Galerien waren die Höhepunkte und ich habe in den vorhergehenden Blog-Einträgen darüber geschrieben. Aber auch alles rundherum, die Stadt und das Leben, war für mich höchst interessant. Ich danke meinen zwei großen Kindern, die mir die wunderschönen Tage ermöglicht hatten.

 

 Der blaue Hahn

Vier Säulen säumen den Trafalgar Square. Bei der vierten reichte das Geld für einen Bronzegeneral nicht mehr. Gelegenheit, jetzt abwechselnd eine moderne Plastik zu platzieren. Wir konnten den „blauen Hahn“ von der Düsseldorferin Katharina Fritsch sehen.

Zuvor war die nackte, schwangere Statue „Aliso Lapper pregnant“ von Marc Quinn aufgestellt, die ich im vorigen Jahr in Venedig sah.

Die Farbe Rot

Rot sind die Doppeldeckerbusse, die Telefonhäuschen, die Briefkästen und seit neuesten dürfen Taxis auch farbig, also rot sein. Am Straßenrand mit roten Streifen darf man nicht parken. Bei roter Ampel kann man die Straße überqueren, wenn kein Auto kommt.

Treppen

Schön waren die Treppen in der Tube, nur zu hoch und zu viele. Pina wäre jetzt fit, die 768 Treppen im Ulmer Münster zu besteigen. Als Kind beschwerte sie sich über den blöden Architekten des Turmes.

Linksverkehr

Look right, look left and look right again. Ich frage mich, ob die Beschriftung auf den Straßen extra für Ausländer gemacht wurde?

Reihenhäuser

In einfacheren Wohngebieten und in noblen Straßen konnten wir Town houses, Reihenhäuser, fotografieren, viele im viktorianischen Stil mit Backsteinziegel. Da muss man wohl die gute Nachbarschaft pflegen.

Full EnglishBreakfast

Hayward Gallery

Das dritte große Erlebnis in London war für mich in der Hayward Gallery die Ausstellung von Martin Creed (geb.1968) mit dem Titel „What´s the Point of it“.

Wir waren auf Sinnsuche.

Es ist nicht Kunst im üblichen Sinn, aber es ist sicher eine Kunst, wie Creed es schafft, dass man seine Werke nicht mehr aus dem Kopf bekommt. So war das Verbot zu fotografieren nicht schlimm.

Creeds Arbeiten sind teils einfältig, wie die Papierfetzen unter einem Sockelsturz. Unschuldig wie ein Kind baut er Kartons übereinander auf und klebt Knete an die Wand.

In einem Raum, in dem die Hälfte der Luft mit Luftballons gefüllt ist, freuten wir uns die Bälle hoch zu stoßen, doch bald suchten wir klaustrophobisch den Ausgang und standen dann wie Struwwelpeter mit statisch aufgeladenen Haaren wieder draußen.

Manches ist sehr fantasievoll und ansprechend, wie die bunte Mauer aus naturfarbigen Ziegelsteinen auf der Terrasse, die 1000 gerahmten Brokkolidrucke, die der Größe nach aufgestellten Kakteen oder die Schatten der eingeschlagenen Nägel.

Anderes, unappetitlich, wie ein Scheißhaufen, ein Video indem sich jemand erbricht.

Witzig fand ich ein großes Video von einer Erektion, draußen auf einer Terrasse aufgebaut, mit wunderschöner Aussicht auf London. Den Zugang dazu bewachte ein Aufseher. Wir konnten das Panorama genießen, wir waren 18.

Bei vielem wusste ich nicht, nennt man es Werk oder Installation, wenn z.B. das Licht nur ein und aus geht, die Tür auf und zu, der Klavierdeckel runterknallt oder der Vorhang sich öffnet und schließt. Nicht umsonst tituliert er alles nur mit Nummern.

Fast meine ich den Sinn doch noch gefunden zu haben.

Die Kunst, auf jeden Fall die Kunst von Creed, ist wie das Leben: lachen, Spaß haben, mit Körperfunktionen beschäftigt sein, im Dunklen gehen müssen und … und…

Einige Zeit saßen wir noch auf den bunten Sitzen vor dem Museum, betrachteten die Gallery von außen, einen wuchtigen Betonbau aus den 60er Jahren. Brutalismus nennen wir heute diesen Stil mit seinen geometrischen Formen und mit Sichtbeton, der Abdrücke der Schalung zeigt.

 

Saatchi Gallery

Auf den Namen Saatchi bin ich schon des Öfteren gestoßen, z.B. in Verbindung mit Damien Hirst und seinem in Formaldehyd eingelegten Tigerhai oder den Young British Artists.

So war ich richtig gespannt auf Saatchi Gallery. Schon bei Eintritt war ich überwältigt von den riesigen Räumen, den weißen Wänden, den weiß gelaugten Eichenböden und den türlosen Ein- und Durchgängen.

Als ich dann im ersten Saal die vielen großen Ameisen sah, die kreuz und quer, einzeln und zusammengedrängt an den Galeriewänden hingen, kam ich mir vor wie der Däumling im Märchen.

Beim genauen Betrachten einer halbmetergroßen Ameise, es gab deren so an die 400 Stück, dachte ich sofort an die Arbeiten der Arte Povera Künstler. Mir schien, zwei Steine ergaben den Ameisenkörper und Zweige die Beine.

Es waren aber gegossene Körper in Form von menschlichen Schädeln, die Beine jedoch waren wirklich Zweige.

Als ich überlegte, was der kolumbianische Künstler Rafael Gomezbarros (geb.1972) damit aussagen wollte, kam eine Kleinkindergruppe in den Raum. Je drei Kinder, angeleint an den Handgelenken, wurden von einer Betreuerin geführt, als wären sie Hunde. Zum Glück gehörte diese Szene nicht zur Installation.

In der Ausstellung zeigten afrikanische und lateinamerikanische Künstler ihre Werke unter dem Thema Pangaea: Neue Kunst aus Afrika und Lateinamerika.

Viele Werke haben mich berührt, die Beton-Ziegelkugel von Fredy Alzata, die Kohlesack-Installation des jungen Mahamas (geb. 1987), Jose Lermas Kugelschreiber Cartoon-Stil Zeichnungen.

Die Arbeiten unterschieden sich nicht von den jungen britischen Künstlern im oberen Stock: Wir sahen schrille, düstere und gefühlvolle Szenen, geisterhafte Silhouetten, monumentale und barocke Bilder und Plastiken.

Erwähnen muss ich noch die Dauerinstallation von Richard Welson im Untergeschoß, einem See aus Altöl, in dem sich die Decke spiegelt.

Tate Modern Gallery

Ein Besuch in die Tate Modern war schon lange mein Wunsch. Zu meinem 70sten schenkten mir meine zwei großen Kinder, Pina und Cati, eine Reise nach London und begleiteten mich.

Der Weg zur Tate Modern Gallery auf der Millennium Bridge war schon ein Erlebnis: hinter uns die St. Paul´s Cathedral, vor uns das Museumsgebäude. Die Hängebrücke war nur für Fußgänger. Deren Tragseile sind seitlich angebracht, so hatten wir freien Blick die Themse entlang bis zur Tower Bridge.

Geplant wurde die Brücke von Norman Foster und dem Bildhauer Anthony Caro. Von Foster stammt auch die gläserne Reichstagskuppel in Berlin; Caro starb vor einem halben Jahr.

Den Umbau des Museums, einem ehemaligen Kraftwerk, plante das Architekturbüro Herzog & de Meuron. Wir kennen von ihm in München die Allianz Arena und die Hypo-Kunsthalle; aus der Presse die Elbphilharmonie in Hamburg, ein Skandalbau, der sich schon 7 Jahre im Bau befindet.

Die Tate ist das größte Museum der Welt für die klassische moderne und gegenwärtige Kunst.

Die Präsentation ist nicht in Epochen gegliedert, sondern thematisch, wie z.B. Dichtung und Traum oder Idee und Objekt. So aufbereitet versteht man die Kunst unserer Zeit und ihre Entwicklung vielleicht besser. Jedenfalls sahen wir viele Schulklassen.

Interessant fand ich die vornehme Schulkleidung der Kinder: Blazer mit Emblem, schwarze Hose, weißes Hemd und Krawatte. Raufen und Kleckern beim Essen kann ich mir so, im feinen Anzug, nicht vorstellen.

Groß war das Museum, bald waren wir zu müde noch etwas aufnehmen zu können. Aber es war wunderschön, die vielen Bilder, die ich kannte, hier im Original zu sehen. Jedes Mal freute ich mich, wenn ich Werke, die ich nicht kannte, einem Künstler zuordnen konnte.

Mit einer großen Filztasche für Din A5 Zeichenblöcke und verschiedenen Bleistiften aus dem Museumsladen gingen wir wieder auf der Millennium Bridge zurück. Da fiel mir auf, dass die Museumsbesucher hauptsächlich Ausländer waren, weil ausnahmsweise auf der Brücke Rechtsverkehr herrschte.