Am Abend war Ines am Telefon und meinte: „Du bist eine Schnellzeichnerin.“ Für das Printmagazin der KulturVision bräuchte sie eine Zeichnung zum Thema Chancengleichheit oder besser gesagt Chancenungleichheit in der Schule. Unter Tierschule fände ich im Internet ein gutes Beispiel.
Ich fand es, eine Karikatur von Hans Traxler, einem bekannten Cartoonisten. Zusammen mit Zeichnern wie F.W. Bernstein oder F.K. Waechter bildete Hans Traxler 1962 „die neue Frankfurter Schule“ der Karikatur und war Mitbegründer der Satirezeitschriften „Pardon“ und „Titanic“. Übrigens wird er in ein paar Tagen 90 Jahre alt.
Ja, schnell ein Gesicht kann ich skizzieren. Bei einer Zugfahrt zum Beispiel zeichne ich blind, das heißt ich skizziere heimlich die Gesichter der Mitfahrer als Vorlage für eine Plastik aus Ton. Aber eine Zeichnerin bin ich nicht.
Ich nahm Ines‘ Bitte mit ins Bett und – scheinbar in der Nacht gekeimt – entstand am Morgen meine Skizze. Ines fand sie nicht schlecht, doch zu mickrig, sie erinnerte sich an Pinas Aquarellbilder. „Nein“, meinte Pina, als ich sie darauf ansprach, „das kann ich nicht, mach ich nicht, nicht an meinem letzten Urlaubstag.“
Das Pflänzchen wuchs nun bei ihr weiter. Nur ein oder zweifarbig wolle sie die Skizze mit dem Computer ausmalen.
Riccardo kam ins Spiel. Das Bild wirke nur bunt gut, meinte er.
Pinas Urlaubstag war nun futsch. Das Bild wurde Titelbild der 31. Ausgabe der Kulturzeitung „KulturBegegnungen“, eine Hommage an Hans Traxler.