Toskana

Florenz

Florenz war voll von Besuchern. Gut, dass die bekannteste Skulptur „David“ vor dem Palazzo Vecchio fünf Meter hoch ist, so konnte ich sie von weiten sehen.

Ich wollte mich anfangs nicht durch die Menge drängeln, so fotografierte ich aus Frust Michelangelos David in Klein bei den Nippsachen eines Andenkenstands.

Auf der Ponte Vecchio in der Mitte bei den Arkadenbögen konnte ich nur einen Blick auf den Himmel erhaschen.

Palazzo Vecchio und David von Michelangelo

Am Nachmittag kamen Tano und ich doch noch in den Genuss, David von allen Seiten betrachten zu können. Wegen den Warteschlangen an der Kasse des Palazzos Vecchio verzichteten wir auf einen Besuch und hielten uns nur im Eingangsbereich auf. 1446 baute Michelozzo di Bartolomeo den damals 100 Jahre alten Innenhof im Frührenaissancestil um. Weitere 100 Jahre später malte der vielseitige Giorgio Vasari ihn aus.

Bronzetüren am Florentiner Baptisterium

Michelozzi arbeitete als Schüler von Lorenzo Ghiberti an der zweiten Tür des Baptisteriums mit. Ghiberti gewann bei einer Ausschreibung den Auftrag, später sogar noch für die dritte Tür. Michelangelo fand letztere so schön, dass er sie „das Tor zum Paradies“ nannte.

Das erste Bronzetor schuf Andrea Pisano 1330 noch ganz im Stil der Gotik, während man bei Ghilbertis ganz deutlich den Übergang zur Renaissance sieht. Zwischen dem Beginn und der Fertigstellung der drei Tore liegen 120 Jahre.

Portal San Ranieri in Pisa

Ganz glücklich war ich, dass ich dann auch noch in Pisa das romanische Portal San Ranieri (Hl. Reiner) an der Kathedrale sah. Bonanno Pisano vollendete es 1180, also 150 Jahre vor Pisanos Tor in Florenz. Auf den ersten Blick sind die florentinischen Türen und das pisanische Portal ähnlich: in der Größe, der Aufteilung in Felder und dem Material Bronze. Doch kunstgeschichtlich liegen Welten dazwischen.

An den Halbreliefs am Ranieritor fehlt die Perspektive, das Größenverhältnis der Figuren stimmt nicht und die Mimik ist steif. Es richtet sich alles nach der inneren Bedeutung und sagt viel aus. Fast möchte ich sagen die Darstellungen wirken modern, sie sind ausdrucksstark. Sie gefallen mir sehr gut, sie sprechen mich an.

Giovanni Pisano und sein Vater Nicola

Mit dem Familiennamen Pisano kam ich durcheinander. An der sechseckigen Marmor-Kanzel in der Kathedrale hatten zwei andere mit dem Namen Pisano gearbeitet, Giovanni Pisano und sein Vater Nicola. Obwohl es ein Relief war, wirkten die Figuren durch tiefe Schatten dreiseitig, fast vollplastisch. 1311 war die gotische Kanzel fertig.

Loggia dei Lanzi  neben dem Palazzo Vecchio

Die Loggia dei Lanzi kommt jedem Münchner bekannt vor. Ein Plagiat steht am Odeonsplatz – die Feldherrnhalle. Statt den beiden Medici-Löwen sieht man in München den bayerischen und preußischen Löwen, der bayerische Löwe mit geschlossenem Maul und der andere mit geöffnetem.

Noch einmal zurück zum Palazzo Vecchio

Trotz der großen Menschenmenge fanden wir auf einer Seite des Innenhofes einen leeren, fast ruhigen Platz. Es fand gerade eine Fotoausstellung von Stefano Guindani mit dem Thema „Saut d´Eau- Haiti“ statt. Der Künstler ist Modefotograf der Zeitschrift Vogue. Er zeigte aber keine Modefotos sondern eine soziale Bilder-Reportage. Wir sahen beeindruckende Bilder von einem gewaltigen Wasserfall, unter dem sich Männer, Frauen und Kinder reinigen. Der Ort heißt Ville Bonheurein und ist für die Haitis ein heiligen Ort, an dem einige die Voodoo-Rituale ausüben und andere die christlichen Reinigungs-Zeremonien.

Noch stärker beeindruckte mich dort eine weitere Fotodokumentation: „La strage dei via die Georgofilie“. So heißt das Attentat, welches vor 20 Jahren bei den weltberühmten Uffizien eine Familie tötete und viele Personen verletzte. Viele Gemälde und Skulpturen wurden zerstört oder beschädigt.

An dem Tag, an dem wir in Florenz waren, gedachte man dieses schrecklichen Tages. Zum Gedenken waren die Uffizien kostenlos für die Besucher.
In der Zeit nach dem Attentat zerbrachen oder zersplitterten sich die staatstragenden Parteien. Berlusconi trat in die Politik ein. Sein Freund und engster Mitarbeiter wurde wegen Unterstützung der Mafia zu Gefängnis verurteilt. Der Senatspräsident Pietro Grasso sagte bei der Gedenkfeier: „Zu viel der Tragödie bleibt nach wie vor im Dunklen.“

Installation im Palazzo Strozzi

Frederico Gori

Tano und ich freuten uns, als wir im Innenhof des Palazzos Strozzi noch einmal eine zeitgenössische Installation sahen. Das Kunstwerk von Frederico Gori hatte den Titel „Di fragilità e Potenza“ (Zerbrechlichkeit und Kraft).

Es war eine sieben Meter hohe Steineiche samt Wurzeln aufgehängt, und rundherum unter den Wurzeln waren Kupferplatten mit Abdrücken von Blättern und Rinde aufgestellt. Am Boden und auf den Kupferplatten war Wasser.
Als Erklärung stand: „Eine Meditation über zwei Pole: Stärke und Macht gegen Zärtlichkeit und Zerbrechlicheit … die uns auf die Beziehung zwischen Mensch und Natur auffordert.“
Mir gefiel die Installation ausgezeichnet, zu sehen, dass ein Austausch der zeitgenössischen Kunst und der Geschichte der Renaissance möglich ist.

Michelangelo und Carraramarmor

Zurück zu Michelangelos David. Zwei Bildhauer scheiterten schon am Auftrag, aus einem riesengroßen Carrara-Marmorblock eine David-Figur zu schlagen. Michelangelo schaffte es, den von seinen Vorgängern grob behauenen Stein zu vollenden und wurde dadurch schon mit 24 Jahren berühmt.

Ich dachte nicht, dass ich einmal einen Carrara-Marmorsteinbruch der Apuanischen Berge sehen würde. Eine Straße mit zahlreichen Serpentinen führte uns nach Colonnata zu einem gewaltigen Steinbruch. Schon von den Römern gegründet, geht der Name „Colonnata“ auf eine Kolonie von Sklaven zurück. Ich konnte es nicht lassen, ein paar kleine Marmorstücke mitzunehmen. Jetzt reut es mich, dass ich nicht ein großes Stück in meine Tasche gesteckt hatte.

Pietrasanta

In der kleinen Stadt mit dem wunderschönen Namen „Pietrasanta“ war unsere Unterkunft. Den Namen, übersetzt „der Heilige Stein“, fand ich schön. Interessant waren für mich auch die vielen Steinmetzbetriebe entlang der Straßen, vom großen „Henraux“  bis zum kleinen Handwerker, und die Lagerplätze mit großen Marmorblöcken und Marmorsteinen in unterschiedlicher Körnung.

Pietrasanta, die Stadt der Kunst und der Künstler, ist ein Zentrum für die Steinmetzkunst, mit Werkstätten und Ausbildungsstätten. Dazu gibt es auch noch Bronzegießereien.
Künstler wie Henry Moore, Miro, Araldo Pomodoro, Pietro Cascella und Kan Yasuda haben dort schon gearbeitet, in früheren Zeiten Michelangelo und Vasari.  Seit den 70er Jahren ist die Stadt Wahlheimat von Fernando Botero aus Kolumbien. Im letzten Jahr feierte er in Pietrasanta seinen 80. Geburtstag mit einer großen Ausstellung.
Er spendete Pietrasanta die große Bronzefigur „II Guerriero“ (Der Krieger). Die Stadtväter mussten lange diskutieren in welche Richtung sie das Hinterteil der nackten Figur vor dem Rathaus drehe sollten. Die tonnenschwere Figur musste ein zweites Mal gedreht werden.

Das weiße Material hatte mich bisher nicht gelockt. Eine Form aus einem Marmorblock zu schlagen würde ich jetzt ganz sicher nicht mehr verachten. Einen Kurs in Pietrasanta würde ich nicht ausschlagen.
Und wenn ich viel Geld hätte, könnte ich ein Modell von mir von einem Mamorist in Marmor machen lassen.

Blick aus unserem Fenster

Blick aus unserem Fenster

In Krumau und Budweis

Egon Schiele

Faszinierend der Blick von der Burg hinunter zur Moldau. Ich war mit Tano nicht in Prag, sondern in dem kleinen Städtchen Krumau, tschechisch Český Krumlov.

Ich versuchte diesen großartigen Anblick mit dem Fotoapparat einzufangen. Dach an Dach, unterschiedlich hoch, eingezwickt und in unterschiedlichen Giebelrichtungen stehen die Häuser. Nur die Moldau unterbricht und teilt das Häusergewirr und schlingt sich wie ein Rahmen um einen Teil der Stadt. Ein pittoreskes Stadtbild in den Farben terrakottarot und erdig mit weißen und dunklen Akzenten.

Sofort dachte ich an die Bilder von Gustav Klimt und Egon Schiele.
Jetzt weiß ich, warum Schiele gern in der schönen Heimatstadt seiner Mutter geblieben wäre. Im Jahre 1911 empörten sich die Bewohner über ihn. Seine jungen Mädchen als Modelle und sein Leben in wilder Ehe waren zu viel für sie. Nach nicht einmal einem Jahr Aufenthalt konnte er nicht mehr bleiben. Er wurde zu drei Tagen Haft wegen Verbreitung unsittlicher Zeichnungen verurteilt.

Doch jetzt nach hundert Jahren rühmt sich die Stadt, dass die Zeit in Krumau Schieles schaffenskräftigste war. Die Bilder mit Titeln wie z. B. die kleine Stadt, gelbe Stadt, tote Stadt und Stadt am blauen Fluss sind Ansichten ihrer Stadt.

Unsere Stadtführerin lotste uns an die Stelle, von der man das kleine gelbe Haus mit dem Balkon sehen konnte, in dem Schieles Mutter wohnte.

Auf unsere Bitte hin, führte sie uns am Egon Schiele Art Centrum vorbei. Vor zwanzig Jahren wurde die ehemalige Stadtbrauerei aus dem 16. Jhdt. renoviert. und ist nun ein Kulturzentrum, das Egon Schiele gewidmet ist.


Egon Schiele Art Centrum in Krumau

Auf dem Rückweg zum Bus kamen Tano und ich, bepackt mit Budweiser, Pilsner Urquell und einer Tüte mit Kohinoor Hardtmuth Bleistiften wieder am Schiele Centrum vorbei. Obwohl wir nur noch eine halbe Stunde Zeit hatten, überlegten wir nicht lange und zahlten den Eintritt.

Neben der ständigen Ausstellung über Egon Schieles Leben und Werk gibt es auch Saisonausstellungen. Der Titel der diesjährigen Ausstellung lautet Intimissimo (Privatleben).

Leider reichte die Zeit nur für zwei der fünf ausstellenden Künstler. Wir lernten die Arbeiten der Tschechin Alena Kupčíková und der Österreicherin Miriam Schwack kennen. Beide kannten wir nicht.

Miriam Schwacks Werke waren sehr prägnant, besonders ihre Acrylbilder mit dem völlig schwarzen Hintergrund und den partiell angeordneten, hellen Gesichtern.

Nicht so schnell werde ich die Arbeiten von Alena Kupčíková vergessen. Die zarten Bleistiftlinien ihrer erotischen Aktdarstellungen entpuppten sich als Haare; hauptsächlich waren es weibliche Schamhaare, vereinzelt auch Tierhaare. Für mich waren die Bilder sehr intim und trafen das Thema sehr gut. Ich hatte aber auch das ungute Gefühl, welches man hat, wenn man ein fremdes Haar in der Suppe findet.

Ich erinnerte mich an die Documenta12. Sehr apart fand ich damals die Stickereien der chinesische Künstlerin Hu Xiaovuan auf weißer Seide in alten Stickrahmen. Das Garn war ihr eigenes Haar.


Bleistifte aus Budweis

Vor der Reise nach Budweis und Krumau nahm ich mir ganz fest vor, Riccardo die Bleistifte Koh-i-Noor Hardtmuth mitzubringen, falls ich Gelegenheit habe. Den schönen Namen Koh-i- Noor trägt ein indischer Diamant.

Früher kamen die Graphitstifte aus England. Sie waren hart und teuer. Graphit wurde mit Schwefel geschmolzen, abgekühlt und in Stäbe zerschnitten.

1790 erfand Josef Hardtmuth eine geschmeidigere Masse. Er mischte Graphitstaub mit Ton und Wasser, drückte die Masse durch Matrizen und erreichte durch verschiedene Brenndauern Minen mit unterschiedlichen Härtegraden.

Im 18. Jahrhundert wurde in der Nähe von Krumau ein Graphitlager entdeckt. Nachdem die Firma Hardtmuth Abnehmer des Graphits war, begann der Abbau. Hardtmuth verlegte sein Unternehmen von Wien nach Budweis  Die Gesellschaft existiert noch heute.

Die Bleistifte fanden Tano und ich in einem Künstlerbedarfgeschäft in Krumau. Der Laden war voll mit japanischen Touristen. Ich wunderte mich. Sind die Stifte auch in ihrem Land bekannt? Kein Wunder, Riccardo liebt auch die japanischen Tuschestifte.

Fazit: Die Bleistifte gibt es bei uns auch, in der gleichen Verpackung, mit der gleichen englischen Beschriftung und wahrscheinlich auch zum gleichen Preis.
Ob sie tatsächlich in der Tschechischen Republik hergestellt wurden ist bei einem Unternehmen mit vielen Tochtergesellschaften auch nicht sicher. Trotzdem freue ich mich über ein Mitbringsel aus Krumau.


Krumau

Das Zentrum des Ortes mit Sehenswürdigkeiten aus der Gotik, der Renaissance und dem Barock ist Unesco Welterbe.

Fachkundlich und epochal beraten ist alles prächtig und strahlend restauriert und unauffällig und dezent zu Restaurants, Cafés, Hotels oder Andenkengeschäften um- und hergerichtet. Sogar der Stein an der Stelle, wo man früher die Delinquenten köpfte, ist mit einem Kreuzchen markiert.

Ein wundervoller Ort, fast zu schön, als wäre alles für mich aufgebaut worden.

Auf den unregelmäßig verlegten, großen und kleinen Pflastersteinen, schnackelten meine Füße um, obwohl ich feste, flache Schuhe trug. Das gehört ebenso dazu, wie die
zwei Polizisten, die uns in unserem Bus eine dreiviertel Stunde warten ließen, und die große drehbare Zuschauertribüne mitten im schönen barocken Garten (für das Unesco Erbe ein unhistorisches, störendes Unikum) eigentlich auch.

Ich trug ja auch die Karlsbader Oblaten mit nach Hause, obwohl ich sie gar nicht mag.

Ein Stückchen Stuck in meinen Händen

1960 gab der damalige Pfarrer Josef Kronast eine kleine Chronik der Pfarrei Egern heraus – „Rottach-Egern am Tegernsee“. Darin steht über die Barockisierung des spätgotischen Innenraums der Rottach-Egerner Kirche folgendes:

„Schlierseer Maurer-Stukkateure haben 1671/72 die Egerner Kirche ausstukkiert. Überliefert sind uns die Namen des Poliers Martin Fischer, der Geselle Hans Nagel, Hans Gaißl und Kaspar Erhardt, des Gipskochers Martin Ehamb.

Der Stuck stammt aus der Frühzeit bairischen Barocks. Mag die Arbeit auch etwas plump sein, sie ist uns ein Zeugnis der Anfangsepoche bairischen Stucks, den einheimischen Meister schufen (Miesbacher Schule!). Der Stuck zeigt Symbole des Glaubens. Die Weintraube weist auf die Eucharistie hin.“

Zur Zeit, als Pfarrer Alfons Siegl in Rottach-Egern war, wurde der Stuck in der Kirche gereinigt. Ein Stückchen Stuck, ein Abguss von einer Original-Weintraube, schenkte Pfarrer Siegel mir. Leider ist sie nicht von einem Original aus der Kirche. Zu meiner Traube würde auch die Beschreibung von Pfarrer Kronast nicht passen.

Nachtrag:
In der Chronik von Pfarrer Kronast las ich einen kurzen aber interessanten Beitrag:

Am 2. Juni 1452 (heute vor 560 Jahren) verlieh Kardinal Nikolaus von Cusa allen einen Ablaß von 40 Tagen, die zum Bau der Egerer Kirche oder deren Ausschmückung beitragen.“

Den Ablasshandel gab es nicht nur für den Bau der Peterskirche in Rom.