Ausstellung im Gulbransson Museum – Ernst Maria Lang

Zum 100. Geburtstag von Ernst Maria Lang

Tano und Tona waren im Tegernseer Gulbransson Museum, das zur Eröffnung der Gedächtnisausstellung von Ernst Maria Lang einlud. Er gehörte zu den bekanntesten deutschen Karikaturisten und wäre dieses Jahr 100 Jahre alt geworden. Er prägte von 1947 bis 2003 das Gesicht der Süddeutschen Zeitung mit seinen Bildern. Zu diesem Jubiläum zeigt das Museum über 60 Blätter aus dem Bestand der neuen Sammlung München.

Den Jacken nach, bestickt mit dem Tegernseer Laub,waren es hiesige, hinter denen wir, Tano und ich, saßen.

Den Jacken nach, bestickt mit dem Tegernseer Laub,waren es hiesige, hinter denen wir, Tano und ich, saßen.

Es war schon etwas besonderes, dass der ehemalige Vorsitzende der Gulbransson Gesellschaft Helmut Leutheusser mit seinen 91 Jahren die Gäste begrüßte. Er würdigte Ernst Maria Lang nicht nur als Karikaturist sondern auch als Förderer des Museums.

In der Laudatio von Dr. Angelika Nollert, Direktorin der neuen Sammlung München, erfuhren wir, dass Ernst Maria Lang in seinem Erstberuf Architekt war, der mit seinen Projekten wie der Studentenstadt Freimann das Münchner Stadtbild entscheidend beeinflusst hatte.

Die Ausstellung ist noch bis zum 5. Juni 2016 geöffnet.

Ausstellung im Haus der Kunst: Konzeptkünstlerin Hanne Darboven

Man muss es gesehen haben, dann versteht man mehr davon. So dachte ich. Ich meine damit die Ausstellung über Hanne Darboven (1941- 2009) im Haus der Kunst.

Vielleicht bin ich nach meinem Besuch ein wenig gescheiter.

Der erste Eindruck war überwältigend. Alle hohen Außen- und Innenwände waren von oben bis unten voll gepflastert mit gleich großen Bildern. Hinterher las ich, es waren 27.000 Objekte. Jede Wand zeigte ein Thema.

Am besten verstand ich die gerahmten Titelblätter des Magazins „Der Spiegel“. Ich konnte auch die Bilder enträtseln, die dicht beschrieben waren mit Girlanden, ähnlich den Schwungübungen beim Schreibunterricht. Ich erkannte, dass die Anzahl der geschriebenen Bögen Zahlen bedeuteten.

Mit den in Reih und Glied gehängten Rahmen wirkten die Wände als wären sie mit einer Rastertapete beklebt. An den Bildern mit den unendlich vielen Postkarten, Fotos, Ausschnitten, Texten, Zeichnungen und Formularen ging ich nur noch vorbei. Bis zur Decke, sie waren an die sechs Meter hoch, hob ich meinen Kopf nicht mehr. Ich war müde geworden.

Ein wenig meinte ich die Künstlerin zu verstehen, als ich vor ihren kleinen, vollgekritzelten Tagebüchern stand. Bisher brachte ich es auch nicht fertig, meine Jahreskalender weg zu werfen. Darboven wollte vielleicht die Zeit festhalten und die „Zeit-vergeht-so-schnell“, genauso wie ich, aufhalten.

Auf der Rückfahrt im Zug knobelte ich an ihrem eigens entwickelten System und dem Sinn, wie sie Kalenderdaten mit Quersummen bildete: 17.1.15 ist 1+7+1= 9+15 =24.

Klee und Kandinsky im Lenbachhaus – Kunstbau

Soll ich die Ausstellung Klee und Kandinsky besuchen? Die beiden Künstler kenne ich schon aus vielen Büchern und Museen.

Gut, dass Tano beschloss, nach München zum Lenbachhaus zu fahren.

Schon nach kurzer Zeit im unterirdischen Kunstbau war ich begeistert. Ich lernte Klee und Kandinsky nicht nur als Künstler, sondern als Lehrer, Nachbarn, Freunde und Konkurrenten kennen.

Die Ausstellung beginnt zeitfolglich mit dem Kennenlernen in München (blaue Reiter) und setzt sich fort über die Jahre am Bauhaus in Weimar und Dessau bis zur Emigration nach der Machtübernahme der NS. Die gemeinsamen Lebensstationen werden schriftlich auf Plakaten beschrieben. So erfahre ich über die Zeit im Bauhaus, dass die Schüler bei Kandinsky strenge Farb- und Formuntersuchungen machten und Respekt vor ihm hatten. Bei Klee dagegen ging es um erzählerische Elemente, figürliche Anspielungen und inhaltliche Richtungen. Aber man konnte bei ihm machen was man wollte.

Ich suche nach Spuren aus dem Jahr 1916, nach einem hundertjährigen Bild. Ich fand im Ausstellungskatalog nur, dass Klee zu der Zeit zum Wehrdienst einberufen wurde und Kandinsky in Stockholm weilte, wo er seine Beziehung zu Gabriele Münter abbrach.

Ein ausgestellter Brief von Klee versetzte mich in die Gegenwart. Er schrieb: „Wenn es auch wahr wäre, dass ich Jude bin und aus Galizien stammte, so würde dadurch an dem Wert meiner Person und meiner Leistung nicht ein Jota geändert … dass ein Jude und ein Ausländer an sich nicht minderwertiger ist als ein Deutscher und Inländer …“

Klees Bilder mochte ich schon in jungen Jahren. Sein Bild „Landschaft mit gelben Vögeln“ regte mich einmal an, ähnliche Vogelformen plastisch darzustellen. Das war vor 10 Jahren.  Inzwischen sind sie bis auf ein Paar ausgeflogen.

 

66. Tegernseer Ausstellung

„Mit 66 Jahren da fängt das leben an“ schrieb der Tegernseer Bürgermeister im Grußwort des Katalogs zur 66. Tegernseer Kunstausstellung.
Dabei war die Fortführung der Ausstellung dieses Jahr gar nicht sicher. Nach drei erfolgreichen Jahren gab Ursula- Maren Fitz die Ausstellungsleitung ab.
Neu gefunden wurde Eva Knevels, die Tochter des im Tal bekannten Künstler Sepp Mohr.

Tanos Beitrag ist „Harlekin“ auf einer Kugel ist eine Mosaikarbeit.
Von nah betrachtet verwirren die vielen, sich nie wiederholenden Muster. Unterschiedlich, mal rund, mal eckig, hat Tano die Mosaiksteine geschnitten und bunt mit seinen selbstgemachten Glasuren bemalt.
Im ganzen gesehen wirkt das Werk aber in sich geschlossen und ruhig.
Die Figur des Harlekin entstand schon im 16. Jahrhundert und wurde von vielen Künstlern dargestellt. Die Gestalt mit dem Flickenkostüm ist immer noch aktuell. Besonders zeitgemäß ist die Vielseitigkeit des Harlekins: Spaßmacher, Gauner, Teufel, Heiler, Helfer oder Priester.

Harlekin

Harlekin

„Bunte Fahnen“, so nennt Tona ihre kleine Installation, den Protestzug auf losen Pflastersteinen. Der Titel ist unverdächtig, die modellierten Menschen farblos und die Wörter auf den Fahnen sinnlos. Sie sind zufällig aus einem Deckblatt eines Arte Magazins ausgeschnitten.
So ganz passt Tonas Arbeit nicht zu der heilen Welt, die die meisten Werke in der Ausstellung zeigen.

Bunte Fahnen

Bunte Fahnen

Ricc zeigt seine Serie „Verwurzelt“ in der Tegernseer Ausstellung.
Er sei ein Minimalist, meinten einige Besucher. Tatsächlich erzählt Ricc mit wenigen, zügig gezeichneten Strichen lange Geschichten.

"Verwurzelt" - eine Serie

„Verwurzelt“ – eine Serie

Tanos Mosaikkugeln

Sie bekamen einen wunderschönen Platz! So, als wäre der Ort extra dafür geschaffen.worden. Tanos lachendes Auge übertrumpfte schnell sein weinendes.

Es waren viele Stunden, die er mit ihnen, den Mosaikkugeln, verbrachte. Vom Aufbau der Betonkugel bis zur Herstellung der einzelnen Mosaiksteine, alles machte er eigenhändig. Aus Ton schnitt er die Steine in unterschiedliche Formen. Er bemalte jedes Plättchen mit seinen selbstgemachten Glasuren und brannte sie bei einer Steinzeugtemperatur von 1250°C.

Wie er die Steine zu immer neuen Mustern zusammensetzte, glich eher einer Meditation oder einem kreativen Spiel und nicht, wie in Wirklichkeit, einer geplanten Konstruktion.

Die dunkle Fugenmasse verbindet das Potpourri von Mustern und das Feuerwerk der Farben zu einer Einheit.

Vielleicht hat die Art und Weise seiner Arbeit etwas mit seinem sizilianischen Erbe zu tun. In seiner Kindheit hat er noch die derzeit ungeschützten Mosaiken der Villa Romana del Casal betreten dürfen. Damals waren die ärmlichen Wohnungen noch reich mit Stuck verziert und es war nichts Besonderes, als Kind im Geburtshaus des Opernkomponisten Vincenzo Bellini aufzuwachsen.

Es klingt vielleicht pathetisch, wenn ich seine Mosaikkugeln mit seiner Heimatstadt Catania, den schwer und zugleich leichten schwarz-weißen Barockgebäuden, und seinen schwermütigen und gleichzeitig lebenslustigen Bewohnern in Verbindung bringe.

Rosstag in Rottach-Egern, „d´Fuhrleit kemman z´amm“

Heute Vormittag ging es auf dem Bauernhof gegenüber unserem Haus lebhaft zu. Autos mit Pferdeanhänger, Leute in bayrischer Tracht, Kutschen und besonders das Wiehern der Rösser erinnerten uns sofort, dass heute in Rottach-Egern der traditionelle Rosstag abgehalten wird.

Die Vorbereitungen zum Zug waren aufwendig: Die Pferde wurden ausgeladen und angespannt und ihre Schweife noch kunstvoll gebunden. Der Umgang mit den Tieren war sehr menschlich, wenn man das so sagen kann. Eins wurde durch einen sanften Tatscher am Hinterteil beruhigt. Ein Pferd hörte mit dem Stampfen auf, allein mit dem Zuruf „Sei stad, hear auf“. Ein anderes reagierte erst auf das Schimpfwort „du damischer Depp“.

Ich, mit Hocker und Sonnehut ausgerüstet, stand dann mit meiner Familie an der Seestraße und genoss den langen Festzug, unter dem Motto: D´Fuhrleut kemman z´samm! Im Mittelpunkt standen vor allem verschiedene Pferderassen. Ich kenne sie nicht, aber lese im Prospekt von Kaltblütern, Oberländern, Haflingern, Isländern, Friesen, Andalusiern und Araber Stuten, von Shetlandponys , Welshponys und Schettys Rappen. Die Kutschen, Stellwägen, Chaisen, Landauer und wie sie alle heißen waren aufwändig geschmückt.

Als erstes ritten im Zug die Polizeireiter aus Rosenheim und wie es sich bei uns gehört, saß im Landauer die Geistlichkeit. In frühere Zeiten versetzten mich die Bundeswehr-Tragtierkompanie aus Bad Reichenhall, die Bierwägen des herzoglichen Brauhauses Tegernsee und des Hofbräus München und die Postkutsche von 1890.
Unser Nachbar fuhr einen Kaltblut-Vierspänner, einem Vis-a-vies mit englischer Anspannung und der Sohn einen Kaltblut-Zweispäner mit einem Stellwagen.

Biennale von Venedig

2. Teil
>>> zum 1. Teil

Von Motorsägen und Rosenduft

Wer in diesem Jahr die Biennale besuchte, lernte zeitgenössische Künstler kennen. Jene Künstler, die sichtbare Dinge nicht nur zeichnerisch, malerisch oder plastisch darstellen, sondern umgekehrt, mit tatsächlichen Gegenständen Kunst machen. Marcel Duchamp war einer der Ersten. Er kaufte ein Urinal, signierte es und stellte es aus. Das war schon 1917. Er wird oft auch als Mitbegründer der modernen Kunst bezeichnet.

Gleich am Eingang der Arsenale sahen wir ein Werk des jungen, französisch-algerischen Adel Abdessemed (geb.1971). Als ich seine Schwerter sah, die in Blütenformen auf den Boden aufgesteckt waren, dachte ich an die Worte aus der Bibel: „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen“.

Der bekannte Altmeister Bruce Naumann (geb. 1941) ließ mit Neonlichtschläuchen die Wörter „Human, Death, Pain, Life“ an die Wand schreiben. Ich kenne eine Neon-Installation von ihm, die im Münchner Museum Brandhorst ausgestellt ist.

Auch mit Worten drückt sich Adrian Piper (geb. 1948) aus. „Alles wird weggenommen werden“, steht 25-mal auf einer großen Tafel, mit Kreide geschrieben, teils leicht verwischt – es braucht keine Erklärung. Die in Amerika geborene Künstlerin lebt in Berlin und bekam in diesem Jahr den
Goldenen Löwen.

An der Decke hingen Knäuel von Motorsägen und Ölkanistern. Unwillkürlich zog ich meinen Kopf ein, als ich unter ihnen durch ging, so als könnten die schweren Geräte gleich runter fallen. Sie sahen so echt aus, pechverschmiert und ölig. Die Künstlerin Monica Bonvincini ist 1965 in Venedig geboren und lebt in Berlin.

Statt Bleistiftstriche auf Papier zieht die Japanerin Chihara Shiotas (geb. 1972) Linien und Schraffuren mit Wollfäden durch Räume. Anders als auf einem Blatt, kann die Künstlerin sie zu dreidimensionalen Flächen ordnen oder zu Knäuel weben. Sie spinnt Schuhe, Stühle und alle möglichen Dinge ein.
In der Biennale knüpfte sie 50.000 alte Schlüssel in ein rotes Fadengespinst ein und beleuchtete es mit rotem Licht. Die Künstlerin titulierte es „The Key in the Hand“. 400 Kilometer lang waren angeblich die roten Wollfäden.

Als ich in den niederländischen Pavillon eintrat, kam mir ein herrlicher Duft entgegen. Ich dachte, typisch Holland mit seine Tulpen. Es war aber ein Rosenduft, der von einem großen, runden Rosenknospen-Beet am Boden ausging.
Der niederländische Künstler Herman de Vries (geb. 1931), der in Deutschland lebt, war in jungen Jahren Gärtner. Er zeigt Naturbilder, besser gesagt, er ordnet Naturmaterialien zu Bildern. Aus verschieden Teilen Italiens sammelte er Erde und verarbeitete sie zu Farben. Für uns nichts Neues. Tano hat schon viele Engoben und Glasuren aus Erden entwickelt.

Vorwärts gingen wir rein und rückwärts wieder raus. Einkaufen wollten wir in dem kanadischen Tante-Emma-Laden nicht. Konnte man aber gar nicht. Also noch mal rein. Eine Plastikkatze auf dem Verkaufstisch winkte uns zu, als wir zur Keramikgießwerkstatt durchgingen. Da kannten wir uns aus. In den Regalen standen kitschige Figuren, fabrikmäßige Massenware, die noch nicht von den Fugen der Gipsformen entgrätet worden waren. Spuren vom Gießton sah man auf den Regalen und am Boden.
Im nächsten Raum, überall, neben- und übereinander Konservendosen, die mal als Farbtöpfe verwendet wurden. Ein Lebenswerk von mindestens drei Messies.
Drei Künstler waren es auch, die den Pavillon bespielten, das Trio BGL mit Jasmin Bilodeau, Sébastien Giguère und Nicolas Laverdiére. Alle drei sind im Alter meiner großen Kinder.

Eine ähnliche Idee hatte die Künstlerin Maria Papadimitrious (geb. 1957). Sie hat im griechischen Pavillon den Laden eines alten Leder- und Tierhautverkäufers aus ihrem Land verpflanzt. Alt und heruntergekommen sah der Einmannbetrieb aus. Er sollte vielleicht den jetzigen Zustand
Griechenlands zeigen.

Ich könnte noch viele Beispiele aufzählen, die den Gedanken von Marcel Duchamp fortsetzen: Glasscherben gab es im Nordischen Pavillon, Knochen und eine industrielle Sortiermaschine im Belgischen, Brot und Schwemmholz im Australischen, aufgespießte Fliegen im Belgischen.

 

Die Biennale in Venedig 2015

1. Teil

Leere Räume

Schon nach kurzer Zeit in den „Giardini della Biennale“ hatte ich das Gefühl, dass sich immer mehr Künstler zurück nehmen, sich in leere Räume zurückziehen und die Lücke ihr Thema ist.

Der schweizer Pavillon
war ganz leer geräumt. Nur grünes Licht füllte die Räume und ließ uns grün erscheinen. Wir Besucher belebten das Haus, als wären wir Darsteller von Aliens. Eine brusthohe Mauer stoppte uns vor dem letzten Zimmer. Es war mit Wasser gefüllt, das sich sanft bewegte. Es wunderte mich nicht, dass das Wasserbecken rosafarbig war. Ich dachte, dass wir nach so viel Grün die Komplementärfarbe sähen.
Den Clou der Sache las ich erst daheim im Internet. Die Künstlerin Pamela Rosenkranz (geb. 1979) ließ das Becken mit einer rosafarbenen Flüssigkeit füllen, die den Eindruck von Haut erzeugen sollte. Für sie ist die menschliche Haut schon lange das Thema ihrer Kunst. Den angeblichen Geruch von Babyhaut, der durch das Gebäude zog, hätte ich wahrscheinlich wahrgenommen, wenn ich es gewusst hätte.

Im österreichischen Pavillon
waren die Böden und Decken schwarz. Die Wände waren weiß getüncht. Kein Bild und keine Skulptur störten das Haus. In jeden Raum stand eine weiße, längliche Bank. Ich glaube, sie waren zum Sitzen gedacht.

Im französischen Pavillon
gab es einen Raum nur zum Ausruhen. Auf den Sofa ähnlichen Liegen hätten wir bequem ein Mittagsschläfchen machen können.
Doch wir waren wegen des, in der Presse vielbesprochenen, gehenden Baumes dort. Eine große Kiefer mit einem wuchtigen Wurzel-Erdballen stand in der leeren Halle. Vergeblich warteten wir, dass sie ihre Position änderte. Erst als wir ganz nah bei ihr standen, drehte sie sich um Millimeter. Die zwei Kiefernbäume vor dem Pavillon rührten sich gar nicht.
Wieder mal las ich erst daheim, dass die Bäume sich schneller bewegen, je größer die Menschenmenge ist. Als wir dort waren, bekamen sie scheinbar zu wenig menschliche Zuwendung.
Ob die lebendigen Bäume am Ende der Biennale noch leben werden? Die Wurzelballen wurden für die großen Räder und Rechner innen stark ausgehöhlt.

Im dänischen Pavillon
war ich von der Kargheit begeistert. Fast jedes Werk hatte einen eigenen Raum. So kamen sie richtig gut zur Geltung. In einem großen Raum lag auf dem Boden, wie vergessen, eine kleine Kiste mit einem antiken Fragment.
Besonders gut gefiel mir eine mittelalterliche Marienfigur. Sie stand vor einer roten Wand. Alle anderen Wände im Pavillon waren weiß. Die Madonna war so aufgestellt, als würde sie gleich vom steinernen Löwensockel kippen. Der Kontrast zwischen dem fein geschnitzten, glatten Gesicht, dem verwurmten und stark zerklüfteten Körper und dem steinernen Sockel war stark. Noch auffälliger und gegensätzlicher waren die Titel, die der Künstler Danh Vo dem religiösen Werk und auch all seinen anderen Werken gab. Es waren ordinäre, grobe Sätze aus dem Horrorfilm „der Exorzist“, der schon zwei Jahre vor Danh Vos Geburt (geb.1975) in den Kinos lief.

Der Pavillon von Uruguay
beeindruckte mich stark. Als ich eintrat, sah ich nur einen großen, leeren, weißen Raum. Eigenartig und komisch kamen mir die Besucher vor, die, fast mit der Nase an der Wand, den Putz betrachteten. Spinnweben meinte ich zu erkennen. Erst mit meiner Brille sah ich, dass an den Wänden an die hunderttausend, winzige Scherenschnitte aus weißem Papier klebten. Drei Monate dauerte es, bis der Künstler Marco Maggi (geb. 1957 in Montevido) die Klebezettel geschnitten hatte und zwei Monate soll es gedauert haben, bis die Wände von oben bis unten beklebt waren. Die Motive sahen aus wie Statik- oder Schaltpläne. Hin und wieder standen Millimeter dünne Stege oder Punkte etwas ab, sodass der Schatten dunkle Linien und Flächen dazu zeichnete. Der Künstler nannte sein Werk „Global Myopia“, Kurzsichtigkeit. Was er damit aussagen wollte, verstand man. Wie Kurzsichtige mussten sich die Besucher auf ein Detail konzentrieren. Der Künstler schärfte den Blick für das Unsichtbare, Unbedeutende und das Kleine. Das jetzt oft gebrauchte Wort Entschleunigung fiel mir ein.

Der deutsche Pavillon
war nicht leer, aber für manche Menschen versperrt. „Kein Zutritt für Besucher mit Rollstuhl, Kinderwagen, kurzem Atem oder schweren Beinen“, stand zwar nicht am Pavillon, aber es war so.
Die Ausgeschlossenen konnten den 1939 umgebauten Prunkbau der Nationalsozialisten von außen ausgiebig betrachten. Sie konnten Ausschau halten nach der angeblichen Werkstatt auf dem Dach. Vielleicht muss man nur lange genug hochschauen um raus zu bekommen, dass sie existiert.
Wir, die Privilegierten, durften uns durch einen versteckten, seitlichen Eingang zwängen und weil wir nicht all zu dick waren, kamen wir über eine enge, hohe Treppe in den ersten Ausstellungsraum. Oben angekommen, nach Luft hechelnd, setzte ich mich erst mal. Ich ersparte mir einen Rundgang und betrachtete von meinem Sitzplatz aus die ausgestellten Zeitungsseiten.

Wieder abwärts ging es zu einem futuristischen Videoraum. Die reale Welt hatte ich nun verlassen. Zum Glück gab es in der virtuellen Welt auch noch bequeme Liegestühle. Ich konnte Puste fürs erneute Hochgehen in die Wirklichkeit sammeln. Einen Ausgang gab es unten nicht.

Den Abstieg zu einem weiteren Raum, wieder ohne Ausgang, ersparte ich mir. Von oben sah ich sowieso nur kaputte Bodenfliesen.
Die Ideen und die Absichten der Künstler waren gut, etwas zu gut. Indem sie ein zweites Stockwerk einbauten und einen Teil des Bodens einreißen ließen, verlor der Raum das Prahlerische, Bombastische.
Mit den Fotos zeigten sie, wie ernst wir Deutsche die Probleme der Flüchtlinge nehmen, und mit den Videoraum, wie topaktuell und fortschrittlich wir sind.
Zu deutlich das Motto: wir sind bescheiden, problembewusst und zukunftsweisend.

>>> weiter zum 2. Teil

Ausstellung von Paul Flora

Paul Flora (1922 – 2009)

Ein Jahr nach dem Tod von Paul Flora sahen Tano und ich im Tegernseer Gulbranssonmuseum eine Ausstellung von ihm. Seine Karikaturen gefielen uns damals so gut, dass wir uns einen Katalog kauften. Dass wir jetzt nochmal eine Ausstellung sehen konnten, noch dazu in seiner Geburtsstadt Glurns, freute uns sehr.

Die kleine Stadt im Vinschgau in Südtirol hat noch vollständig erhaltene Ringmauern und drei Tortürme. Im einem davon, im Kirchtorturm, wurde vor vier Jahren eine Dauerausstellung für seine Kunst eingerichtet.
Die ironisch-satirischen Zeichnungen Floras, die teils mit filigranen, schnellen Federstrichen und teils auch mit dichten Schraffuren gezeichnet sind, passen zum mittelalterlichen Flair im Turm. Da passt auch der Satz, den Friedrich Dürrenmatt über ihn sagte: „Er schreitet rückwärts in die Zukunft.“


Von den kleinen Turmfenstern aus hatte man einen herrlichen Blick auf die Stadt. Mit den breiten, dunklen Fenster-Holzrahmen wirkten die Aus- und Ansichten wie bunte Bilder, die sich zwischen die Zeichnungen von Flora eingeschmuggelt hatten.
Das entspricht seinem Leben. Er, der nur seine frühe Kindheit in Glurns verbrachte, fühlte sich immer mit seiner Heimat verwurzelt. Davon zeugt auch eine Serie von Bildern mit der Figur, dem „verwurzelten Tiroler“. Der Künstler wurde in Glurns begraben, wie er sich es gewünscht hatte.

Die drei letzten Fotos sind von Monika Scheliga.