Biennale von Venedig

2. Teil
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Von Motorsägen und Rosenduft

Wer in diesem Jahr die Biennale besuchte, lernte zeitgenössische Künstler kennen. Jene Künstler, die sichtbare Dinge nicht nur zeichnerisch, malerisch oder plastisch darstellen, sondern umgekehrt, mit tatsächlichen Gegenständen Kunst machen. Marcel Duchamp war einer der Ersten. Er kaufte ein Urinal, signierte es und stellte es aus. Das war schon 1917. Er wird oft auch als Mitbegründer der modernen Kunst bezeichnet.

Gleich am Eingang der Arsenale sahen wir ein Werk des jungen, französisch-algerischen Adel Abdessemed (geb.1971). Als ich seine Schwerter sah, die in Blütenformen auf den Boden aufgesteckt waren, dachte ich an die Worte aus der Bibel: „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen“.

Der bekannte Altmeister Bruce Naumann (geb. 1941) ließ mit Neonlichtschläuchen die Wörter „Human, Death, Pain, Life“ an die Wand schreiben. Ich kenne eine Neon-Installation von ihm, die im Münchner Museum Brandhorst ausgestellt ist.

Auch mit Worten drückt sich Adrian Piper (geb. 1948) aus. „Alles wird weggenommen werden“, steht 25-mal auf einer großen Tafel, mit Kreide geschrieben, teils leicht verwischt – es braucht keine Erklärung. Die in Amerika geborene Künstlerin lebt in Berlin und bekam in diesem Jahr den
Goldenen Löwen.

An der Decke hingen Knäuel von Motorsägen und Ölkanistern. Unwillkürlich zog ich meinen Kopf ein, als ich unter ihnen durch ging, so als könnten die schweren Geräte gleich runter fallen. Sie sahen so echt aus, pechverschmiert und ölig. Die Künstlerin Monica Bonvincini ist 1965 in Venedig geboren und lebt in Berlin.

Statt Bleistiftstriche auf Papier zieht die Japanerin Chihara Shiotas (geb. 1972) Linien und Schraffuren mit Wollfäden durch Räume. Anders als auf einem Blatt, kann die Künstlerin sie zu dreidimensionalen Flächen ordnen oder zu Knäuel weben. Sie spinnt Schuhe, Stühle und alle möglichen Dinge ein.
In der Biennale knüpfte sie 50.000 alte Schlüssel in ein rotes Fadengespinst ein und beleuchtete es mit rotem Licht. Die Künstlerin titulierte es „The Key in the Hand“. 400 Kilometer lang waren angeblich die roten Wollfäden.

Als ich in den niederländischen Pavillon eintrat, kam mir ein herrlicher Duft entgegen. Ich dachte, typisch Holland mit seine Tulpen. Es war aber ein Rosenduft, der von einem großen, runden Rosenknospen-Beet am Boden ausging.
Der niederländische Künstler Herman de Vries (geb. 1931), der in Deutschland lebt, war in jungen Jahren Gärtner. Er zeigt Naturbilder, besser gesagt, er ordnet Naturmaterialien zu Bildern. Aus verschieden Teilen Italiens sammelte er Erde und verarbeitete sie zu Farben. Für uns nichts Neues. Tano hat schon viele Engoben und Glasuren aus Erden entwickelt.

Vorwärts gingen wir rein und rückwärts wieder raus. Einkaufen wollten wir in dem kanadischen Tante-Emma-Laden nicht. Konnte man aber gar nicht. Also noch mal rein. Eine Plastikkatze auf dem Verkaufstisch winkte uns zu, als wir zur Keramikgießwerkstatt durchgingen. Da kannten wir uns aus. In den Regalen standen kitschige Figuren, fabrikmäßige Massenware, die noch nicht von den Fugen der Gipsformen entgrätet worden waren. Spuren vom Gießton sah man auf den Regalen und am Boden.
Im nächsten Raum, überall, neben- und übereinander Konservendosen, die mal als Farbtöpfe verwendet wurden. Ein Lebenswerk von mindestens drei Messies.
Drei Künstler waren es auch, die den Pavillon bespielten, das Trio BGL mit Jasmin Bilodeau, Sébastien Giguère und Nicolas Laverdiére. Alle drei sind im Alter meiner großen Kinder.

Eine ähnliche Idee hatte die Künstlerin Maria Papadimitrious (geb. 1957). Sie hat im griechischen Pavillon den Laden eines alten Leder- und Tierhautverkäufers aus ihrem Land verpflanzt. Alt und heruntergekommen sah der Einmannbetrieb aus. Er sollte vielleicht den jetzigen Zustand
Griechenlands zeigen.

Ich könnte noch viele Beispiele aufzählen, die den Gedanken von Marcel Duchamp fortsetzen: Glasscherben gab es im Nordischen Pavillon, Knochen und eine industrielle Sortiermaschine im Belgischen, Brot und Schwemmholz im Australischen, aufgespießte Fliegen im Belgischen.

 

Die Biennale in Venedig 2015

1. Teil

Leere Räume

Schon nach kurzer Zeit in den „Giardini della Biennale“ hatte ich das Gefühl, dass sich immer mehr Künstler zurück nehmen, sich in leere Räume zurückziehen und die Lücke ihr Thema ist.

Der schweizer Pavillon
war ganz leer geräumt. Nur grünes Licht füllte die Räume und ließ uns grün erscheinen. Wir Besucher belebten das Haus, als wären wir Darsteller von Aliens. Eine brusthohe Mauer stoppte uns vor dem letzten Zimmer. Es war mit Wasser gefüllt, das sich sanft bewegte. Es wunderte mich nicht, dass das Wasserbecken rosafarbig war. Ich dachte, dass wir nach so viel Grün die Komplementärfarbe sähen.
Den Clou der Sache las ich erst daheim im Internet. Die Künstlerin Pamela Rosenkranz (geb. 1979) ließ das Becken mit einer rosafarbenen Flüssigkeit füllen, die den Eindruck von Haut erzeugen sollte. Für sie ist die menschliche Haut schon lange das Thema ihrer Kunst. Den angeblichen Geruch von Babyhaut, der durch das Gebäude zog, hätte ich wahrscheinlich wahrgenommen, wenn ich es gewusst hätte.

Im österreichischen Pavillon
waren die Böden und Decken schwarz. Die Wände waren weiß getüncht. Kein Bild und keine Skulptur störten das Haus. In jeden Raum stand eine weiße, längliche Bank. Ich glaube, sie waren zum Sitzen gedacht.

Im französischen Pavillon
gab es einen Raum nur zum Ausruhen. Auf den Sofa ähnlichen Liegen hätten wir bequem ein Mittagsschläfchen machen können.
Doch wir waren wegen des, in der Presse vielbesprochenen, gehenden Baumes dort. Eine große Kiefer mit einem wuchtigen Wurzel-Erdballen stand in der leeren Halle. Vergeblich warteten wir, dass sie ihre Position änderte. Erst als wir ganz nah bei ihr standen, drehte sie sich um Millimeter. Die zwei Kiefernbäume vor dem Pavillon rührten sich gar nicht.
Wieder mal las ich erst daheim, dass die Bäume sich schneller bewegen, je größer die Menschenmenge ist. Als wir dort waren, bekamen sie scheinbar zu wenig menschliche Zuwendung.
Ob die lebendigen Bäume am Ende der Biennale noch leben werden? Die Wurzelballen wurden für die großen Räder und Rechner innen stark ausgehöhlt.

Im dänischen Pavillon
war ich von der Kargheit begeistert. Fast jedes Werk hatte einen eigenen Raum. So kamen sie richtig gut zur Geltung. In einem großen Raum lag auf dem Boden, wie vergessen, eine kleine Kiste mit einem antiken Fragment.
Besonders gut gefiel mir eine mittelalterliche Marienfigur. Sie stand vor einer roten Wand. Alle anderen Wände im Pavillon waren weiß. Die Madonna war so aufgestellt, als würde sie gleich vom steinernen Löwensockel kippen. Der Kontrast zwischen dem fein geschnitzten, glatten Gesicht, dem verwurmten und stark zerklüfteten Körper und dem steinernen Sockel war stark. Noch auffälliger und gegensätzlicher waren die Titel, die der Künstler Danh Vo dem religiösen Werk und auch all seinen anderen Werken gab. Es waren ordinäre, grobe Sätze aus dem Horrorfilm „der Exorzist“, der schon zwei Jahre vor Danh Vos Geburt (geb.1975) in den Kinos lief.

Der Pavillon von Uruguay
beeindruckte mich stark. Als ich eintrat, sah ich nur einen großen, leeren, weißen Raum. Eigenartig und komisch kamen mir die Besucher vor, die, fast mit der Nase an der Wand, den Putz betrachteten. Spinnweben meinte ich zu erkennen. Erst mit meiner Brille sah ich, dass an den Wänden an die hunderttausend, winzige Scherenschnitte aus weißem Papier klebten. Drei Monate dauerte es, bis der Künstler Marco Maggi (geb. 1957 in Montevido) die Klebezettel geschnitten hatte und zwei Monate soll es gedauert haben, bis die Wände von oben bis unten beklebt waren. Die Motive sahen aus wie Statik- oder Schaltpläne. Hin und wieder standen Millimeter dünne Stege oder Punkte etwas ab, sodass der Schatten dunkle Linien und Flächen dazu zeichnete. Der Künstler nannte sein Werk „Global Myopia“, Kurzsichtigkeit. Was er damit aussagen wollte, verstand man. Wie Kurzsichtige mussten sich die Besucher auf ein Detail konzentrieren. Der Künstler schärfte den Blick für das Unsichtbare, Unbedeutende und das Kleine. Das jetzt oft gebrauchte Wort Entschleunigung fiel mir ein.

Der deutsche Pavillon
war nicht leer, aber für manche Menschen versperrt. „Kein Zutritt für Besucher mit Rollstuhl, Kinderwagen, kurzem Atem oder schweren Beinen“, stand zwar nicht am Pavillon, aber es war so.
Die Ausgeschlossenen konnten den 1939 umgebauten Prunkbau der Nationalsozialisten von außen ausgiebig betrachten. Sie konnten Ausschau halten nach der angeblichen Werkstatt auf dem Dach. Vielleicht muss man nur lange genug hochschauen um raus zu bekommen, dass sie existiert.
Wir, die Privilegierten, durften uns durch einen versteckten, seitlichen Eingang zwängen und weil wir nicht all zu dick waren, kamen wir über eine enge, hohe Treppe in den ersten Ausstellungsraum. Oben angekommen, nach Luft hechelnd, setzte ich mich erst mal. Ich ersparte mir einen Rundgang und betrachtete von meinem Sitzplatz aus die ausgestellten Zeitungsseiten.

Wieder abwärts ging es zu einem futuristischen Videoraum. Die reale Welt hatte ich nun verlassen. Zum Glück gab es in der virtuellen Welt auch noch bequeme Liegestühle. Ich konnte Puste fürs erneute Hochgehen in die Wirklichkeit sammeln. Einen Ausgang gab es unten nicht.

Den Abstieg zu einem weiteren Raum, wieder ohne Ausgang, ersparte ich mir. Von oben sah ich sowieso nur kaputte Bodenfliesen.
Die Ideen und die Absichten der Künstler waren gut, etwas zu gut. Indem sie ein zweites Stockwerk einbauten und einen Teil des Bodens einreißen ließen, verlor der Raum das Prahlerische, Bombastische.
Mit den Fotos zeigten sie, wie ernst wir Deutsche die Probleme der Flüchtlinge nehmen, und mit den Videoraum, wie topaktuell und fortschrittlich wir sind.
Zu deutlich das Motto: wir sind bescheiden, problembewusst und zukunftsweisend.

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Kunst in Istrien

Spätantike, frühbyzantinische Kunst in Poreč

Unsere Reiseführerin in Istrien war eine geschäftstüchtige Frau. Schon im Bus wies sie uns auf das gute Cafe in Poreč hin. Sie wusste auch schon den Preis einer Eiskugel.

Es gäbe auch eine Kirche mit Mosaiken. Ähnlich den Kirchen, die sie uns schon gestern und heute gezeigt hatte. Kirchenbesuche könnten uns bald zu viel werden, meinte sie.

Sie führte uns durch den Ort. Die Hauptgasse hatte den Namen Decumanus. Ein Hinweis auf die Zeit, in der die Straßen nach der römischen geometrischen Straßenordnung benannt wurden. Sie erinnerte mich sofort an die Hauptstraße Decumanus des Expogeländes in Mailand, wo wir erst vor kurzem waren.

Eis wollten Tano und ich auch, doch vorher, noch schnell die Kirche besuchen und dann ins Cafe gehen.

Zum Eis kamen wir nicht. Dafür sahen wir und noch drei Mitreisende eines der bekanntesten und berühmtesten Bauwerke der Adria Region, einen spätantiken, frühbyzantinischen Kirchenbau aus dem 6. Jahrhundert: „San Euphrasius“.

Wir waren hellauf begeistert von der dreischiffigen Basilika mit den Fresken, den Inkrustationen und Mosaiken, dem Atrium mit den Säulen, dem achteckige Baptisterium mit dem Taufbecken und dem etwas neueren, mittelalterlichen Turm mit den Glocken.

Ich hatte die gleiche euphorische Stimmung, wie vor Jahren in der Kirche San Vitale in Ravenna und in Sant’Ambrogio in Mailand.

Im Eilschritt und etwas Gram auf die Reiseführerin kamen wir zurück zum Bus. Dieses Zeugnis früher Kunst hatte sie vielen Leuten unserer Gruppe unterschlagen.

Terra Rossa

Unsere Reiseleiterin schlug einen kleinen Umweg vor, über einen Berg mit einer fantastischen Aussicht, Gelegenheit für eine Fotosession und zugleich Möglichkeit, einheimische Produkte kaufen zu können.

Mich störte es nicht, dass die Verkaufsstände den Ausblick verdeckten. Ich sah nur den Roterde-Boden und dachte, dass diese typisch istrische Erde vielleicht eine schöne Engobe für unsere Keramiken ergeben könnte. Mit Steinen und Fingern kratze ich die Erde locker und bekam zwei kleine Tüten voll.

Venezianischer Barockstil in Rovinj

Auf der höchsten Stelle von Rovinj steht der Glockenturm mit einer drehbaren Figur, der hl. Euphemia. Sie ist die Patronin der Kirche. Sie zeigt den Fischern die Windrichtung und uns den Weg. Die Kirche ist im venezianischen Barockstil gebaut.

Auf Pflastersteinen aus weißem Marmor stiegen wir zu ihr hoch.

Nach unten ließ mich die Heilige nicht so gerne. Auf den von vielen Füßen glattpolierten Steinen rutschte ich aus. Barfuß gings leichter.

Dass hier in der kroatischen Stadt die Venezianer viele Jahrhunderte das Sagen hatte, merkten wir schon unten in der Stadt. Auf dem Platz am Hafenbecken prangt am Uhrturm ein Relief mit dem Markuslöwen. Der Kirchturm oben glich sogar exakt dem Campanil von Venedig. Hier ist Italienisch immer noch die zweite Amtssprache.

Piran in Slovenien

Eine ebenso venezianisch geprägte Altstadt hat der slowenische Ort Piran. Auch hier dreht sich auf dem Glockenturm eine Figur nach der entsprechenden Windrichtung, diesmal der hl. Georg. Der Turm ist ebenfalls eine Kopie vom Turm des Markusdoms. Und das Rathaus ziert ebenso ein Löwenrelief.

Interessant fand ich eine alte, große Olivenölpresse im Judenviertel. Vielleicht modelliere ich mal eine in Miniatur, als Öllicht.

Neobyzantinischer Baustil

Dass wir unsere freie Zeit in Triest in der serbisch-orthodoxen Kirche verbringen würden, hatten wir nicht vor. Nur kurz wollten wir den Innenraum der Kirche anschauen, die im neobyzantinischen Stil, Mitte des 19. Jahrhundert gebaut wurde.

Es war gerade ein Gottesdienst.
Nachdem die Gläubigen uns so freundlich Platz machten und zur Seite rückten, blieben wir. Wir feierten mit ihnen den Dreifaltigkeitstag, das Patroziniumsfest ihrer Kirche. Das wussten wir natürlich erst dann daheim, durchs Internet. Wir verstanden nicht viel. Aber die Gebete, Lieder und Zeremonien berührten uns.

Wir machten einfach mit. Das Kreuzzeichen machten wir andersherum und das Küssen der Ikonenbilder war wahrscheinlich auch nicht in der richtigen Reihenfolge. Wie alle Gläubigen nahmen wir auch ein Büschel gemähtes Gras mit, das am ganzen Boden ausgelegt war. Es war ein spezieller Brauch nur an diesem Tag, dem Sonntag am 31. Mai.
Die Kerzen, die wir zum Opfern kauften, zündete ich aber nicht an. Den intensiven Duft von den brennenden Bienenwachskerzen der Kirche wollte ich daheim nochmal erleben.

Jugendstil in Ljubljana

Ljubljana feiert in diesem Jahr ihren Bürger, den vor 150 Jahren geborenen Architekten Max Fabian. Er studierte in Wien bei Otto Wagner, dem bekanntesten Architekten und Stadtplaner der Belle Epoque. So brachte er den neuen Architekturstil, den Jugendstil, nach Ljubljana. Die Stadt wurde damals von einem Erdbeben völlig zerstört. So schrecklich es war, brachte es die Chance, eine neue, moderne Stadt aufzubauen.

Unsere Stadtführerin zeigte uns viele Gebäude, Anlagen und Brücken aus dieser Epoche, der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert. Ich kam nicht dazu, die Namen der Gebäude und derer Architekten zu notieren, geschweige sie mir zu merken.

Wir genossen die Atmosphäre, die Kunst und die Sonne und fühlten uns wohl.
Als wir allein waren, schlenderten wir dem Fluss Ljubljanica entlang zu den Märkten. Tano fand es keine gute Idee, dass ich Pflanzen für unseren Garten kaufte. Jetzt hoffe ich, dass sie den Wachstumsvorsprung beibehalten und wir bald Auberginen, Paprika und Tomaten ernten können und von der Erinnerung dieser bezaubernden Stadt noch lange zehren können.

Auch eine Kunst

Unsere Reiseführerin war tüchtig. Sie kannte in jeder Stadt ganz besonders gute Geschäftsleute und preiswerte Läden, wo wir Wein, Trüffel in allen Variationen, luftgetrockneten Schinken, Krainer Wurst, Honiglikör, Lavendelblüten, Fleur de Sel und Meersalz kaufen konnten.

Ich ließ mich auch überreden. Ich kaufte zwar nicht 5 Kilo grobes Meersalz für 4 Euro, dafür aber eine dünne, kleine Tafel Salzschokolade für 4,60 € und zwei Flaschen süßen Wein, gekeltert in Slowenien. Den Salzgeschmack der Schokolade spürte ich nicht heraus und den Wein vergaß ich im Bus.

Geld wechseln wäre überhaupt nicht nötig, sagte unsere Reiseführerin. Alles kann man in Euro zahlen; der Toilettenbesuch kostet 70 Cent.

Noch eine kleine Geschichte am Rande. Unser heimischer Reiseführer Klaus freute sich über sein erstandenes Gläschen Trüffel. Importware aus Italien, las unsere slowenische Führerin auf seinem Gläschen. Er hätte im falschen Geschäft gekauft. Sie zeigte uns das Richtige. Da gab es slowenische Trüffel mit der Aufschrift „Made in Italia“.

 

Zeichnen am Donnerstag – Nr. 30

Endlich habe ich wieder mal meinen Scanner angeschmissen und die neusten Seiten aus meinem Skizzenbuch digitalisiert. Am vorletzten Donnerstagabend hatte uns das schöne Wetter nach draußen gelockt – diesmal auf dem Münchner Königsplatz. Schon herrlich, wenn man sich von der Sonne bescheinen lassen kann, während man zeichnet.

Zuerst habe ich mir die Propyläen vorgenommen. Das klassizistische Bauwerk wurde von Leo von Klenze in Anlehnung an die Propyläen der Akropolis entworfen. Besonders die Säulen in der Mitte haben mich ganz schön herausgefordert und viele Details habe ich einfach weggelassen. Mit Aquarellfarben habe ich schließlich versucht die abendliche Stimmung einzufangen.

Propyläen im Abendlicht

Propyläen im Abendlicht (Bleistift mit Aquarell)

Die Stufen der Antikensammlung sind ein beliebter Ort um sich niederzulassen und einfach mal auszuspannen, den Blick über den Platz schweifen zu lassen und das Geschehen um einen herum zu beobachten. Einige der dort Sitzenden haben es auch in mein Skizzenbuch geschafft.

Auf den Stufen der Antikensammlung (Tintenstift)

Auf den Stufen der Antikensammlung (Tintenstift)

Mit Kappe und Hut (Bleistift mit Aquarell)

Mit Kappe und Hut (Bleistift mit Aquarell)

Aus der Serie „verwurzelt“ von Riccardo

Von Riccardos neuen Zeichnungen bin ich ganz angetan. Ich darf zwei aus seiner Serie „verwurzelt“ zeigen.

Mit wenigen Strichen, zügig aber präzise mit einem Bleistift HB gezogen, schafft Riccardo Bilder voller Gegensätze. Auf den ersten Blick scheinen sie schlicht, realistisch, etwas frech und lustig. Beim genauen Hinschauen werden sie unrealistischer und ernster. Ingeniös.

„verwurzelt“ Bild 1

„verwurzelt“ Bild 2

 

Ausstellung von Paul Flora

Paul Flora (1922 – 2009)

Ein Jahr nach dem Tod von Paul Flora sahen Tano und ich im Tegernseer Gulbranssonmuseum eine Ausstellung von ihm. Seine Karikaturen gefielen uns damals so gut, dass wir uns einen Katalog kauften. Dass wir jetzt nochmal eine Ausstellung sehen konnten, noch dazu in seiner Geburtsstadt Glurns, freute uns sehr.

Die kleine Stadt im Vinschgau in Südtirol hat noch vollständig erhaltene Ringmauern und drei Tortürme. Im einem davon, im Kirchtorturm, wurde vor vier Jahren eine Dauerausstellung für seine Kunst eingerichtet.
Die ironisch-satirischen Zeichnungen Floras, die teils mit filigranen, schnellen Federstrichen und teils auch mit dichten Schraffuren gezeichnet sind, passen zum mittelalterlichen Flair im Turm. Da passt auch der Satz, den Friedrich Dürrenmatt über ihn sagte: „Er schreitet rückwärts in die Zukunft.“


Von den kleinen Turmfenstern aus hatte man einen herrlichen Blick auf die Stadt. Mit den breiten, dunklen Fenster-Holzrahmen wirkten die Aus- und Ansichten wie bunte Bilder, die sich zwischen die Zeichnungen von Flora eingeschmuggelt hatten.
Das entspricht seinem Leben. Er, der nur seine frühe Kindheit in Glurns verbrachte, fühlte sich immer mit seiner Heimat verwurzelt. Davon zeugt auch eine Serie von Bildern mit der Figur, dem „verwurzelten Tiroler“. Der Künstler wurde in Glurns begraben, wie er sich es gewünscht hatte.

Die drei letzten Fotos sind von Monika Scheliga.

Begegnungen im „Heller Garden“ in Gardone

Von der Stadt am Gardasee sahen wir wenig, nur das Grand Hotel und den botanischen Garten von André Heller.

Das Hotel war in der Belle Epoque das Ziel für Adelige und Intellektuelle aus ganz Europa. Für uns war es die Haltestelle für den Bus.

Tano Bodenmosaik

Die Stunden im botanischen Garten waren paradiesisch: Sonnenschein, lauschige Sitzplätze am Wasser und unter Bäumen, verschlungene Wege vorbei an Blumenrabatten oder Wildwuchs, Kunstwerke nach jeder Kurve.

Wir trafen auf „La Musa“ von Auguste Rodin, kamen an „Spagna“ von Joan Miró vorbei und sahen von weitem das „Totem“ von Keith Haring.

Das Schönste, was ich entdeckte, waren „Drei Frauen auf einer Bank“. Sie waren real, drei ältere Damen, die sich ausruhten. Wie sie so da saßen, so zufrieden und fröhlich, da dachte ich, sie wären ein Motiv für eine Plastik.
Mein bayrischer Dialekt war Anlass für einen Plausch. Und wie es so geht, die Welt ist kleiner als man denkt. Eine Frau und ein dazukommender Herr waren Nichte und Neffe von meinem früheren Chef, dem verstorbenen Pfarrer Kronast von Rottach-Egern. Mei, war des a scheener Ratsch üba oide Zeiten.

Expo Milano: Feeding the Planet, Energy for Life

Mailand: Den Planet ernähren, Energie für das Leben

Ich weiß nicht, an was es lag. Lag es daran, dass es der Freitag nach dem Feiertag Christi Himmelfahrt war, oder gab es einen Tag der Schulkinder, der Busunternehmer, der Betriebe. Oder war es nur ein ganz normaler Tag der Expo in Mailand.
Scharen von Menschen zogen zum Ausstellungsgelände. Von freundlichen Hostessen wurden wir angewiesen, mal umgeleitet, mal gestoppt, nach links oder nach rechts gelenkt, um dann in einer Besucherkolonne vor den Sicherheitsschleusen warten zu dürfen. Inzwischen waren eineinhalb Stunden vergangen.

Aufatmend standen wir endlich auf der anderthalb Kilometer langen Hauptstraße der Ausstellung. Sonnensegel waren über die ganze Strecke gespannt. Für uns ein Schutz gegen kurze Regenschauer.
Ich war aber auch irritiert und ratlos. Die ganze Welt hier versammelt zu sehen und besuchen zu können, brachte mich durcheinander.

Unter dem Wort Pavillon stellte ich mir keine weißen Zelte vor, aber auch keine so gigantische Bauten. Es gab Häuser in postmodernen Formen. Sie sahen aus wie ein umgestürzter Korb, ein Sandberg, ein kupferner Kessel, ein Reisbauernhut, ein Segelschiff. Minimalistische Fassaden aus Obstkisten, Gittern und Rippen wechselten ab mit spektakulären Lösungen aus Pflanzen, Holz oder Bambussäulen.

Tano und ich entschieden uns als erstes für den deutschen Pavillon.
Aus der Zeitung wusste ich schon, dass Lennart Wiechell vom Münchner Architektenbüro Schmidhuber aus München der leitende Architekt war. Seine Idee war eine begehbare Landschaft, aus der Ideenkeimlinge in Form von stilisierten Pflanzen heraus sprießen, die sich dann zu einem futuristischen Membrandach mit Photovoltaik-Modulen entfalten.

Zunächst sah ich nur eine lange Menschenschlange, der wir uns anschlossen und
langsam vorrückten. Eine charmante Hostess drückte uns eine zusammengeklappte Karte in die Hand. Tano fand sie praktisch, um damit Prospekte aufzubewahren. Dass wir nur mit diesem Stück Pappe die Ausstellung richtig erleben konnten und die Karte Seedboard hieß, wussten wir nicht. Sobald man das Seedboard an eine vorbestimmte Stelle hielt, erschien auf magische Weise eine Projektion auf der Karte. Durch Drehen und leicht Hochstellen konnten Filme mit unterschiedlichen Informationen zum Thema „Fields of Ideas“ ausgewählt werden. Es ging um den Umgang mit der Natur, um Wasser, Klima und den Boden. Ich fand das Ganze einerseits gigantisch und topaktuell aber anderseits zu pädagogisch aufbereitet. Es war spielendes Lernen für Schulkinder.

Am Ende der Ausstellungstour erlebten wir eine ganz besondere Show. Ein Gitarrist und ein Beatboxer animierten uns Besucher zum Mitmachen. Wir imitierten Geräusche der Natur. Als ich wie ein Schaf blöken sollte, meckerte ich. Wahrscheinlich klang es besonders belämmert, weil die Besucher lachten. Am Schluss wurde unser Seedboard ein Musikinstrument, ein Schlagzeug. Vielleicht wird dieses Stück Papier nach der Expo als Andenken aufgehoben.

Gleich nebenan war der amerikanische Pavillon. Der Bau ähnelte einer großen Scheune mit einem breiten, offenen Eingang zum ersten Stock. Das war gut, es bildete sich keine Warteschlange. Es war aber auch nicht viel zu sehen. Der Glanzpunkt war eine Seite seiner Außenfassade. In Größe eines Fußballfeldes war an der Wand vertikal ein Garten angelegt, in dem Pflanzen aus allen Bundesstaaten Amerikas wuchsen.

Polen stellte sich der Welt als Obstgarten vor. Als Stilelement der Architektur wählten sie Obstkisten und symbolisierten damit ihre wirtschaftliche Kraft. Das Land ist Weltmarktführer im Export von Äpfel und Beeren. In der Presse wurde oft berichtet, wie schwer das russische Einfuhrverbot für Obst die polnische Landwirtschaft belastet. Russland war Polens größter Abnehmer.

Natürlich wollte Tano noch den italienischen Pavillon besuchen. Das scheiterte aber an der dreireihigen Besucherschlange vor dem Einlass. Wir trösteten uns in einem Probierladen für italienischen Schinken. Auf einem Kartontablett lagen schön garniert die verschiedenen Sorten der Regionen. Und weil das Wetter an diesem Tag sehr launisch war, kam ein ganz kurzer, aber heftiger Windstoß und wirbelte den Schinken hoch in die Luft. Weg war der Schinken und weg war die Zeit, die wir noch zur Verfügung hatten. Sechs Stunden Aufenthalt waren ausgemacht.

Am Schluss merkte ich, dass ich kein einziges Foto gemacht hatte. Schnell gingen wir noch zum „Baum des Lebens“, dem Symbol der Expo. Marco Balich, ein italienischer Künstler, hat sich die 35 Meter hohe Installation ausgedacht. Vorbild waren Zeichnungen, die einst Michelangelo für den Kapitolsplatz in Rom entwarf.

Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens wird vielleicht einmal, wie der Eiffelturm in Paris, Wahrzeichen von Mailand.

Viele Bauwerke werden nach der Expo nicht wirtschaftlich abgebaut werden, obwohl Nachhaltigkeit ein Thema der Expo war. Nach der Demontage des deutschen Pavillons wird das Holz zu Pellets gepresst und verheizt werden.

Nachhaltig wird die Expo für uns im Kopf bleiben, obwohl wir von den 54 Nationenpavillons nur drei von innen sahen und nur einen Gesamteindruck mit nach Hause nehmen konnten. Namen der Architekten, wie Normen Forster, Italo Rota, Carlo Ratti, Herzog & de Meuron und Daniel Libeskind, die mir schon öfters auffielen und hier dabei waren, werden sich noch stärker in meinem Gedächtnis festigen. Wir waren stark beeindruckt. Über den Sinn und Nutzen einer Weltausstellung muss ich erst noch nachdenken.

Kriegs- und Einmarschberichte 1945

Am letzten Samstag, den 28. März, hörten Tano und ich einen Vortrag über die letzten Kriegstage im Tegernseer Tal.
Zwei junge Historiker, Dr. Veronika Diem und Dr. Roland Götz, lasen aus den Kriegs- und Einmarschberichten der Pfarrer des Erzbistums München und Freising. Das Münchner Ordinariat forderte nach dem Krieg alle Pfarrer auf, über die Vorkommnisse der damaligen Zeit zu berichten. Am 1. August 1945 mussten alle Abgabeberichte im Ordinariat sein.
Das Tal war überfüllt mit Flüchtlingen, Ausgebombten, evakuierten Kindern und Kriegsverletzten. Eine SS-Division baute in Bad Wiessee und St. Quirin eine Verteidigungslinie gegen die aus Bad Tölz heranrückenden Amerikaner auf. So kam es, dass noch kurz vor Ende des Krieges ein Bombenangriff der Amerikaner auf das Tegernseer Tal drohte. In letzter Minute verhinderten es mutige Bürger.

Pfarrer Kronast

Pfarrer Kronast

Neugierig war ich, was unser alter Pfarrer Kronast (1902-1989), der unsere Kinder taufte und lange Jahre mein Chef war, geschrieben hatte. Sein Bericht trudelte verspätet im Oktober 1945 ein.
Er schrieb wenig: ein Haus brannte, die Weißachbrücke wurde gesprengt und 300 Dachauer KZ ler mussten zurück nach Waakirchen gehen. Das wichtigste war ihm die Wiederbelebung der Marienwallfahrt zur Egerner Madonna, die 1806 vom Staat aufgehoben wurde. Egern sollte wieder Wallfahrtsort werden. Am 13. Oktober pilgerten die Gläubigen zum Dank nach Birkenstein.

Fast alle Pfarrer berichteten, wieviel Kirchenwein sie noch vorrätig hätten. Das brachte die Zuhörer zum Schmunzeln. Roland Götz erklärte, wie wichtig das war. Ohne Wein konnte keine Messe gefeiert werden.